Süddeutsche Zeitung

Neue Terrorzelle:Rechte Militante sehen ihre Zeit gekommen

Die Urteilssprüche im NSU-Prozess und die Vorfälle in Chemnitz haben Rechtsextreme bestärkt. Die nächste Generation an Terroristen will vor allem eines: noch brutaler sein als der NSU.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Die Erkenntnis ist ekelerregend, und doch war es zu erwarten. Der NSU, die rechte Terrorbande, die zehn unschuldige Menschen ermordet, 15 brutale Raubüberfälle begangen und drei Bomben gelegt hat - sie wird zur Ikone der rechten Szene. So wie schon die linke "Rote Armee Fraktion" (RAF) als Maßstab späterer Terrorgenerationen herhalten musste, so wird nun auch der Nationalsozialistische Untergrund Ankerpunkt einer Szene, die sich in ihrer Brutalität immer weiter übertreffen will.

Die Bundesanwaltschaft hat am Montag sieben Männer festnehmen lassen, die Anschläge auf Politiker, Journalisten, das "Establishment" planten - bei der RAF hieß das damals "das Schweinesystem". Die mutmaßlichen Täter wollten vor allem eines: noch brutaler, noch wirkungsvoller sein als der NSU. Sie nannten sich "Revolution Chemnitz". Die Wortwahl trifft erschreckend genau.

Ganz offensichtlich fühlt sich die rechte Szene durch den NSU-Prozess nicht eingeschüchtert. Wie auch? Noch am Urteilstag marschierte der angeklagte Neonazi Andre Eminger als freier Mann aus dem Gerichtssaal. Zwei Wochen später war auch der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben ein freier Mann. Beide gelten nun als Märtyrer der Szene, beide haben nie mit ihren Kameraden gebrochen. Mittlerweile spürt die ganze rechte Szene in Deutschland Aufwind. Seit dem Schulterschluss von Chemnitz, als AfD-Politiker mit Neonazis Seit' an Seit' marschierten, halten manche rechte Militante die Zeit für gekommen, endlich aufs Ganze zu gehen.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2018
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