Süddeutsche Zeitung

Verfahren eingestellt:Qosays Tod in der Zelle bleibt rätselhaft

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Der 19-jährige Qosay K. starb in Gewahrsam der Delmenhorster Polizei. Er war festgenommen worden, weil er einen Joint geraucht haben soll. Die genauen Todesumstände sind aus Sicht der Angehörigen noch unklar, doch das Verfahren wurde jetzt eingestellt

Von Peter Burghardt, Hamburg

"Ruhe in Frieden", steht auf der Delmenhorster Parkbank, in deren Nähe Qosay K. am 5. März 2021 festgenommen wurde. Dazu das Datum seines Todes, der 6. März 2021. Warum starb der junge, vorher offenbar gesunde Mann im Alter von 19 Jahren, nachdem ihn die Polizei auf die Wache mitgenommen hatte? "Das große Rätsel", sagt die Anwältin Lea Voigt. "Man hat sich dagegen entschieden, das weiter aufzuklären."

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg gab am Montag bekannt, dass das Verfahren gegen die an dem Einsatz beteiligten Polizisten eingestellt worden sei. Die Behörden konnten kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der Beamten erkennen, Anwälte der Familie des Toten hatten Anzeige erstattet.

Festgenommen worden war Qosay K., weil er einen Joint geraucht haben soll. Bei dem Einsatz soll es nach kurzer Verfolgungsjagd zu einem Handgemenge gekommen sein, ein Polizist soll Pfefferspray eingesetzt und Qosay K. zu Boden gedrückt haben, mehrere Beamte kamen dazu. Danach habe Qosay K. mehrfach um Wasser gebeten und keines bekommen, berichtete ein Zeuge. Die Beamten hätten kein Wasser dabeigehabt, so die Polizei, die Staatsanwaltschaft konnte keine unterlassene Hilfeleistung feststellen.

Erst teilte die Polizei mit, Qosay K. habe sich geweigert, sich von einem von der Polizei herbeigerufenen Rettungssanitäter behandeln zu lassen. Nun erklärte die Staatsanwaltschaft, der Rettungssanitäter habe bei Qosay K. keine Auffälligkeiten festgestellt. Ein Zeuge wiederum erklärte, Qosay K. sei gar nicht richtig untersucht worden. Ein Ergebnis der Ermittlungen gegen die Rettungskräfte ist noch nicht bekannt.

Gutachten zur Todesursache widersprechen sich

Als sicher gilt, dass er kurz danach in einer Zelle der Delmenhorster Polizei kollabierte. Aus einem Krankenhaus wurde anderntags sein Tod gemeldet. Es heißt, in seinem Blut seien nur geringe Spuren von Marihuana gefunden worden, aber im Magen-Darm-Trakt Polyacrylamid und Natriumpolyacrylat, sogenannte Superabsorber. Völlig unklar ist, wie diese Substanzen in seinen Körper gelangt waren. Man schluckt Superabsorber nicht einfach so, wozu auch.

Laut einem rechtsmedizinischen Gutachten erlag Qosay K. multiplem Organversagen. In einem Gutachten, das die Familie in Auftrag gegeben hatte, wurde als Todesursache sauerstoffmangelbedingtes Herz-Kreislauf-Versagen festgestellt, auch von Verletzungen und Zeichen eines Schocks ist darin die Rede.

Der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme drückte den Hinterbliebenen seine Anteilnahme aus und sagte, mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei jetzt sei klar, "dass die Ursache für den Tod von Qosay nicht im Verhalten der eingesetzten Polizeibeamten liegt". Er hoffe, "dass nun für sie die Zeit der Belastung aufgrund der eingeleiteten Strafverfahren sowie der beispiellosen Hetzkampagne in den sozialen Netzwerken zu Ende ist."

Qosays Eltern und ihre Anwälte erfuhren aus einer Pressemeldung vom raschen Ende des Verfahrens, sie haben Beschwerde eingelegt. Man werde "mit allen juristischen Mitteln gegen die Verfahrenseinstellung vorgehen".

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