Prozess gegen den Ex-Bundespräsidenten:Vor-Freispruch für Wulff
Lesezeit: 3 Min.
Im Verfahren gegen Christian Wulff deutet alles auf einen Freispruch hin. Überraschend ist das nicht, der Prozess war von Anfang an sinnlos. Aus der angeblichen Staatsaffäre könnte aber doch noch eine echte Staatsaffäre werden. Wer hatte ein so gewaltiges Interesse an den exzessiven Ermittlungen gegen den Ex-Bundespräsidenten? Und warum?
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Es ist dies der Anfang vom schnellen Ende des Wulff-Prozesses. Das Gericht hat die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit angeregt, offenbar ohne jede Geldbuße, ohne jede Auflage - nach aufgelaufenen Ermittlungs- und Prozesskosten von schätzungsweise vier Millionen Euro. Weil aber die nach wie vor sture Staatsanwaltschaft nicht zustimmen mag und der Angeklagte ein verständliches Interesse hat an der Wiederherstellung seiner Ehre per Urteil und nicht bloß durch einen Einstellungsbeschluss, wird das Verfahren im Januar noch ein wenig weitergehen.
Dann wird das Gericht die Beweisaufnahme vorzeitig beenden, es wird Staatsanwaltschaft und Verteidigung plädieren lassen - und dann wohl einen Freispruch für Wulff verkünden. Die Anregung der Einstellung des Verfahrens ist die verklausulierte Ankündigung dieser Absicht. Die Staatsanwaltschaft sollte daher jetzt in sich gehen. Es wäre nun ein Akt juristischer Souveränität und die gebotene Form der Entschuldigung für exzessive und obsessive Ermittlungen bei Wulff, wenn sie selbst den Freispruch beantragen würde.
Der Richter hat zu erkennen gegeben, dass es Anzeichen für eine beachtliche strafrechtliche Schuld nicht gibt, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht einmal ansatzweise bestätigt wurden, dass eine lange Fortsetzung des Strafprozess also sinnlos geworden ist. Die Anklage ist wegen 753 Euro und 90 Cent erhoben worden. Von diesem Betrag sind nach den bisherigen Verhandlungstagen allenfalls noch zweimal 70 Euro für ein Essen am Oktoberfest übrig geblieben (und auch das nur, wenn man Wulff böse will).
Sinnlos von Anfang an
Der Strafprozess ist sinnlos geworden? Er war sinnlos wohl von Anfang an. Die Hauptverhandlung hätte gar nicht stattfinden dürfen. Der Sinn dieser Gerichtsverhandlung besteht allenfalls darin, die Voreingenommenheit der Ermittlungen zu demonstrieren und dem Angeklagten, der nicht hätte angeklagt werden dürfen, formell die durch die Anklage geraubte Ehre wiederzugeben. Die Anklage war von harten Vorwürfen und harten Beweisen nicht getragen.
Getragen war sie nur von einem Rigorismus der Ermittler, der schon fast an Fanatismus grenzte. Die Ermittler haben Wulff behandelt wie einen korruptiven Amokläufer, sie haben in seinem beruflichen und privaten Leben jedes Steinchen umgedreht, so als könnte sich daraus eine Art Lebensführungsschuld ergeben. Sie haben die Personenschützer so intim befragt, als gäbe es für ein Ex-Staatsoberhaupt keinerlei Persönlichkeitsschutz.
Aus der angeblichen Staatsaffäre wird womöglich noch eine echte Staatsaffäre. Es ist dies aber nicht eine Affäre Wulff, sondern eine Affäre der Ermittlungsbehörden. Die Frage lautet: Wer hatte ein so gewaltiges Interesse an exzessiven Ermittlungen und warum? Haben sich die Ermittler wirklich nur anstecken lassen von der Medienhysterie, haben sie sich wirklich nur in den Skandalisierungsstrudel hineinziehen lassen? Welche Rolle spielt Bernd Busemann, der CDU-Parteifeind von Wulff und seinerzeitige Landesjustizminister? Welche Rolle spielt Frank Lüttig, der von Busemann installierte und dann für Wulff zuständige Generalstaatsanwalt?
In Interviews hat er so getan, als sei Wulff schon überführt, als gäbe es keine Zweifel an dessen Schuld: "Wir haben nicht nur Indizien, wir haben Beweise. Und sie sind im Fall Wulff sehr stark". So hat sich Lüttig öffentlich erklärt. Die Erklärung war falsch. Selbst die Indizien gegen Wulff waren und sind so schwach, dass das Gericht das Verfahren nicht fortsetzen mag. Die Erklärung des Gerichts entlarvt die Äußerungen des obersten Ermittlers - als Bluff. Sein Amt trägt den Titel Generalstaatsanwalt; es heißt nicht "Generalbluffanwalt".
Hat die Politik Öl ins Feuer der Ermittlungen geschüttet? Hat sie einem Ermittler die Ölkanne in die Hand gedrückt? Welche Weisungen wurden in diesem Fall erteilt? Auf solche Fragen hätte man gerne Auskunft. Die Staatsanwaltschaft ist, dem Rechtsstaat sei es geklagt, nicht unabhängig. Das Gesetz enthüllt das Elend: "Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben dem dienstlichen Auftrag ihres Vorgesetzten nachzukommen."
Das alte Bild von der Staatsanwaltschaft als der Kavallerie der Justiz beschreibt diese Gesetzeslage gar nicht schlecht: Pferde liegen am Zügel; so geschieht es auch den Staatsanwälten. Sie sind doppelt weisungsgebunden sogar: extern an die Weisungen des Ministers, intern an die Weisungen des Behördenchefs. Gemessen an der Zahl der Verfahren mag das selten vorkommen, aber auf diese Verfahren kommt es an.
Man wäre gern stolz auf eine Staatsanwaltschaft, die sich zu ihren Fehlern bekennt: Man wünscht sich also von ihr den Mut, Freispruch für Wulff zu beantragen.