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Proteste in Kiew:Polizei zieht sich von Unabhängigkeitsplatz zurück

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Die Demonstranten in Kiew feiern einen Triumph in angespannter Lage: Die Polizei wird das von Janukowitsch-Gegnern belagerte Rathaus vorerst nicht stürmen und verlässt den Majdan-Platz. Unterdessen stellt die ukrainische Regierung der Europäischen Union Bedingungen - es geht ums Geld.

Das Rathaus von Kiew bleibt in der Hand der Demonstranten: Die ukrainischen Sicherheitskräfte haben sich Augenzeugenberichten zufolge vom Unabhängigkeitsplatz (Majdan) zurückgezogen. Ob die Polizeiaktion damit abgebrochen ist, blieb zunächst unklar.

In der Nacht war die Polizei auf den Majdan im Zentrum der Stadt vorgerückt, auf dem seit Tagen Regierungsgegner ausharren. Die Sicherheitskräfte begannen, den Platz zügig zu räumen, mehrere Hundert Protestierende blieben dennoch in ihren Lagern. Sicherheitskräfte entfernten aber Barrikaden und Zelte vor dem Rathaus.

Die Polizei betonte, es sei dabei darum gegangen, eine wichtige Straße im Zentrum der Stadt freizumachen. Dabei sollen jedoch Hunderte Sicherheitskräfte Schlagstöcke gegen Protestierende eingesetzt haben und auch versucht haben, in das Bürgermeisteramt einzudringen. Die Besetzer des Rathauses hatten sich mit Feuerlöschspritzen gewehrt. Mindestens acht Menschen wurden nach Polizeiangaben vorläufig festgenommen. Die litauische EU-Ratspräsidentschaft kritisierte den Polizeieinsatz.

"Der Majdan wird nicht erstürmt"

Innenminister Witalij Sachartschenko sagte einer Mitteilung zufolge, dass es keine Erstürmung des Platzes der Unabhängigkeit geben werde. "Ich möchte alle beruhigen - der Majdan wird nicht erstürmt", sagte er. Ein Gericht hatte weitere Kundgebungen im Zentrum Kiews verboten. Am Mittwochvormittag strömten erneut Tausende auf den Majdan, die Demonstranten begannen mit dem Wiederaufbau der Barrikaden.

Der ukrainische Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko kündigte an, die Proteste notfalls bis ins neue Jahr fortzusetzen. Janukowitsch habe seinen Kredit "längst verspielt, aber er will es nicht einsehen", sagte Klitschko zu den Demonstranten. Die Opposition werde sich erst mit ihm an einen Tisch setzen, wenn er ihre Forderungen erfüllt: Rücktritt der Regierung, Freilassung der Demonstranten, Bestrafung brutaler Sicherheitskräfte. "Dann wird es eine neue Ukraine mit einem neuen EU-Abkommen geben."

Regierung fordert 20 Milliarden Euro

Seit Tagen demonstrieren in Kiew zeitweise Hunderttausende Menschen gegen Janukowitsch. Sie fürchten, dass er die Ukraine in eine von Russland dominierte Zollunion führen will und damit eine Annäherung an die EU verhindert. Der Präsident hatte im November die Unterzeichnung eines über mehrere Jahre ausgehandelten Freihandelsabkommen mit der EU überraschend abgelehnt.

Nach Gesprächen zwischen Janukowitsch und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton hatte die Regierung zunächst angekündigt, am Mittwoch eine Delegation nach Brüssel zu schicken. Dieser Termin wurde allerdings abgesagt. Ministerpräsident Mykola Asarow erklärte am Rande einer Kabinettssitzung, für ein Freihandelsabkommen benötige das Land 20 Milliarden Euro Finanzhilfe von der Europäischen Union.

Linktipps: Hier findet sich ein Videostream zu den Geschehnissen, die Kiew Post hat ein Liveblog eingerichtet. Eine Twitter-Liste mit Berichterstattern ist hier zu finden.

Hier ein Video des Wassereinsatzes der Rathaus-Besetzer:

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