Süddeutsche Zeitung

Proteste in Hongkong:Mit Handy und Laptop gegen Peking

Lesezeit: 3 min

Trotz Sperren und Zensur: Die Proteste in Hongkong dehnen sich aus zu einer Demokratiebewegung im Internet. Auf Facebook unterstützen Tausende die Demonstranten und rufen für Mittwoch zu weltweiten Kundgebungen auf. Aber es gibt auch Gegenstimmen.

Von Felix Hütten

Der "Krach" ist längst zu einem lauten Knall geworden. Am Morgen kommentierte die regierungsnahe chinesische Zeitung Global Times, die Demonstranten auf Hongkongs Straßen seien wohlmöglich nicht mehr als ein paar verwirrte Studenten, die mal ein bisschen Rabatz machen wollen, ein bisschen Krach eben. "Die jungen Menschen kennen die Konsequenzen nicht, wenn sie die Linie des Gesetzes überschreiten", schreiben die Autoren. Aber, halb so wild: "Die Demonstrationen werden in einer Sackgasse landen."

Doch danach sieht es im Moment nicht aus: Tausende Demonstranten haben sich am Dienstagmorgen auf den Straßen Hongkongs eingefunden, viele übernachteten sogar dort. Hongkong könnte vor einer neuen Demokratiebewegung stehen, die sich ausweitet auf andere Städte Chinas, möglicherweise weltweit. Für Mittwoch hat das Bündnis "United for Democracy" Solidaritäts-Kundgebungen in Toronto, Tokio, Melbourne, Paris, Hamburg und weiteren Millionenstädten angekündigt. Der 1. Oktober ist Chinas Nationalfeiertag, er könnte zum Symboltag der Bewegung werden, gefeiert wird dieses Jahr in Hongkong wohl nicht.

Mit Drohnen filmen Aktivisten die Proteste

Auf den Straßen errichtet die Polizei Blockaden, im Internet lässt die Regierung Seiten sperren. Derzeit vergeblich, die Protestbewegung dehnt sich aus: Mit Sonnenschirmen schützen sich die Menschen vor dem Pfefferspray der Polizei, mit speziellen Programmen und ausgelagerten Servern gelingt es Aktivisten, die sozialen Netzwerke zu nutzen und damit Bilder der Proteste zu veröffentlichen, wie sie die staatlich kontrollierten Medien nicht zeigen. Besonders beliebt ist derzeit FireChat, eine App, die Kommunikation unabhängig des Handynetzes via Bluetooth ermöglicht. Auf der Seite "HKverified" posten Aktivisten fortlaufend Bilder, in einer Google-Umfrage sammeln sie Angaben zu Polizeigewalt auf den Straßen.

Ähnlich wie in Kairo, Istanbul und Athen ist das Internet auch in Hongkong wichtiger Katalysator der Proteste und Ort der Verknüpfung der Demonstranten. Mit einer Drohne haben Aktivisten die jüngsten Demonstrationszüge gefilmt. Die Aufnahmen zeigen, dass weitaus mehr Menschen beteiligt sind, als es die chinesische Regierung wahr haben möchte. Auch kreativen Aktionen ermöglicht das Netz weltweite Zuschauer, so zum Beispiel den "The Strings of Justice", eine Gruppe von Musikern, die bei den Demonstrationen spontane Streicher-Konzerte spielen.

Das Internet wird zur Waffe der Bewegung

Die chinesische Regierung hat schon lange erkannt, welch mächtige Waffe das Internet für Demokratiebewegungen ist. Stets ist sie bemüht, Seiten der Aktivisten zu sperren und Netzphänomene gar nicht erst zu einem Trend werden zu lassen. Die akribische, wenn auch verzweifelt wirkende Zensur aktueller Protestseiten der Unruhen in Hongkong zeigt, dass die Regierung die Vorfälle keineswegs als kurzfristiges Studenten-Halligalli sieht: In Weibo, einem Ersatz für die verbotenen Angebote von Twitter und Facebook, wurden Suchworte wie "Hongkong", "Studenten" und "Tränengas" geblockt, die Foto-Plattform Instagram gleich vollständig gesperrt.

Doch das Netz ist schneller - und kreativer. Weltweit tauschen Facebook-User ihre Profilfotos: Gelbe Schleifen und Sonnenschirme zieren die Timelines. Es sind die Symbole der Demonstranten auf der Straße, spontan ins Netz gesetzt, in Sekunden verbreitet.

Gelbe Schleifen und Schirme sind neue Symbole der Bewegung

Anders bei der "Wear Yellow for Hong Kong"-Kampange. Sie wurde an der US-amerikanischen Harvard-Universität von chinesischen Studenten gegründet und ruft dazu auf, am 1. Oktober gelbe Kleidung zu tragen, um die Solidarität mit den Demonstranten zu bekunden. "Ich habe die Kampagne gegründet, weil nur wenige Studenten in Harvard Bescheid wissen über das, was im Moment in Hongkong passiert. Ich bin beeindruckt von den vielen Hongkonger Studenten, die im Ausland studieren und nun ähnliche Events auf an ihren Unis organisieren", sagt Heather Lynn Pickerell, die Organisatorin von "Wear Yellow for Hong Kong" zu SZ.de.

Und weil das Internet mächtig scheint, haben sich nun auch die Gegner der Proteste entschlossen, ihre Meinung online zu stellen. In der Hoffnung, eine Gegenbewegung gründen zu können, nennen sie sich "Stille Mehrheit für Hongkong". Ihr Anliegen: Die Proteste beenden. "Wie alle anderen auch sind wir für Demokratie", schreiben die Betreiber der Website. "Was wir uns aber wünschen ist eine Demokratie ohne Chaos."

Mit Blick auf die angekündigten Proteste wird diese Bitte wohl erst einmal unerfüllt bleiben.

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