Süddeutsche Zeitung

Profil:Matthew Macfadyen

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Der Schauspieler erfreut die Briten als Schummler.

Von Cathrin Kahlweit

Vor 19 Jahren erschütterte ein Skandal die britische Fernsehwelt, der, weil das Format international bekannt war, vom Publikum weltweit mitverfolgt wurde: In "Who wants to be a Millionaire" (Wer wird Millionär) hatte ein gewisser Charles Ingram die Millionenfrage erraten und eine Million Pfund ergattert. Er fing schwach an, setzte gleich zu Anfang zwei Joker ein, später wurde er immer sicherer und las jeweils alle vier Antwortmöglichkeiten laut vor, während sich hinter ihm ein Teilnehmer die Seele aus dem Leib hustete. Der "Coughing Scandal" war geboren, Ingram, seine Frau sowie ihr Helfer Tecwen Whittock, der mit seinen Hustern jeweils die richtige Antwort signalisiert hatte, wurden des Betrugs überführt und verurteilt.

Nun hat der britische Sender ITV die Geschichte als Miniserie gezeigt, mit neuen Details und einem offenen Ende, und die Nation debattiert: War Ingram vielleicht unschuldig? Matthew Macfadyen spielt den linkischen Schummler im ITV-Quotenhit "Quiz". Kritiker loben seine Darstellung einer "umstrittenen Person", die der 45-Jährige als braven Spießer mit einer schleimigen Note anlege. Der Schauspieler selbst hat Mitleid mit seiner Hauptfigur; er sei, sagt er, nicht überzeugt von der Schuld des Paares und ihres Komplizen, und überhaupt hätten die Ingrams genug gelitten: "Sie wurden bespuckt, sie mussten umziehen, er verlor seinen Job bei der Armee." Dabei sei es doch nur um einen Betrug in einer Gameshow gegangen. "Niemand ist gestorben."

Macfadyen trägt in seiner jüngsten Rolle eine Perücke mit schütterem Haar und hässliche T-Shirts. Berühmt geworden ist der Mann aus Norfolk aber, ausgestattet mit Koteletten, spitzen Krägen, langen Mänteln und einem düster-romantischen Flair, neben Keira Knightley in der Verfilmung von "Stolz und Vorurteil". Der Sohn einer Schauspielerin und eines Ölmanagers spielte sich 2005 als leidender Lover Mr. Darcy in die Herzen der Fans, insbesondere der Frauen. Dabei ist Macfadyen eigentlich alles andere als ein Frauenheld: Er ist seit fast 20 Jahren, weitgehend skandalfrei, mit Schauspielerin Keely Hawes verheiratet, das Paar hat zwei Kinder.

Macfadyen sagt, er habe nie etwas anderes getan, als seinen Lebenstraum zu leben, seit er Bergman-Filme sah: Fernsehen, Theater, Film. Komisches, wie in "Sterben für Anfänger", Politisches wie "Frost/Nixon". Bekannt und beliebt war Macfadyen im Königreich lange vor allem als Held historischer Dramen wie Anna Karenina oder Howards End. Mittlerweile aber ist er auch in den USA beliebt. Succession, eine satirische Comedy-Serie über eine machthungrige Verlegerfamilie, hat zahlreiche renommierte Preise eingeheimst und Macfadyen auch im US-Fernsehen zu einer Größe gemacht, mit der man rechnen muss.

Seine Frau ist ein Star im britischen Fernsehen, er dreht in New York, Kroatien und überall, und er findet es "crazy". In Los Angeles habe er nie leben wollen, zu viel Aufregung, zu viel Eitelkeit. Dem Guardian sagte der Schauspieler, er habe eigentlich nie ein ITV-Drama machen wollen, auch wenn das "snobby" klinge. "Man wartet auf ein tolles Stück oder einen guten Film." Macfadyen gilt als ausnehmend bescheiden und geerdet. Als er einmal die Nase voll hatte vom Drehen und Reisen, nahm er seine beiden Kinder und ging mit ihnen für einen langen, heißen Sommer nach Frankreich. Eine Auszeit mit der Familie - "es war himmlisch".

Weil er viel Zeit in den USA verbrachte, hat er sich natürlich auch mit US-Politik und Donald Trump befasst. Als politikinteressierter Mensch, aber auch als Vater sei er fasziniert: "Schwer zu glauben, dass Trumps Kinder dieses irre Selbstbewusstsein haben und sich alles zutrauen - auch wenn sie reich sind und alle Chancen haben. Aber wenn man von einem Narzissten erzogen wird, ist es wohl kein Wunder, wenn man so wird wie Ivanka." Die Welt deprimiere ihn, sagt er, manchmal will er vor allem flüchten. Aber er sei Brite. "Uns rettet die Ironie."

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SZ vom 21.04.2020
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