Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Deutsche Übersetzerin in der Türkei festgenommen

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In der Türkei ist eine deutsche Übersetzerin, die für die linksgerichtete Nachrichtenagentur Etkin Haber Ajansı (Etha) arbeitet, festgenommen worden. Die 33-jährige Mesale Tolu sei bereits am 30. April festgesetzt worden, berichtet die ARD. Demnach drang eine Anti-Terror-Einheit gewaltsam in die Wohnung ein. Seit dem 6. Mai sitze Tolu im Istanbuler Frauengefängnis. Ein Richter erließ dem Bericht zufolge Haftbefehl wegen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.

Das türkische Nachrichtenportal Diken berichtete, Tolu sei im Zuge einer Razzia gegen 16 Personen festgenommen worden, die für die Agentur und linke politische Organisationen arbeiten - offenbar vor den Protesten zum 1. Mai.

Das Auswärtige Amt hat die Verhaftung inzwischen bestätigt. Die Bundesregierung sei entgegen den Gepflogenheiten nicht von den türkischen Behörden informiert worden, sagte ein Sprecher. "Das ist bedauerlich." Die türkischen Behörden hätten damit das Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen verletzt. Bislang habe die deutsche Seite noch keinen persönlichen Kontakt zu Tolu gehabt.

Die Bundesregierung hat die Türkei aber aufgefordert, ihr Zugang zu der inhaftierten Deutschen zu gewähren. "Für uns ist es wichtig, dass wir uns um sie als deutsche Staatsangehörige kümmern können", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Freitag in Berlin. Die türkischen Behörden müssten den Fall "nicht nur anständig, sondern auch völkerrechtsgemäß" behandeln. "Das werden wir auf sehr deutliche Art und Weise geltend machen."

Laut tagesschau.de ist Tolu in Baden-Württemberg geboren und erhielt 2007 die deutsche Staatsbürgerschaft. Im Zuge dessen gab sie ihren türkischen Pass ab.

Journalisten in Haft

Am Freitagmorgen nahmen die Behören außerdem den Leiter der Online-Redaktion der unabhängigen Zeitung Cumhuriyet, Oğuz Güven, fest. Das berichtet die Zeitung auf ihrer Website. Die Gründe seien noch nicht bekannt.

In der Türkei sitzen mehr als hundert Journalisten in Haft, darunter auch der deutsch-türkische Welt-Korrespondent Deniz Yücel. Ihm werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Er war im Februar festgenommen worden.

EU-Minister Ömer Çelik hatte am Donnerstag gesagt, die Türkei sei ein sicheres Land für ausländische Journalisten, die nicht an terroristischen Aktivitäten beteiligt seien.

Landesweite Razzia, fast 60 Festnahmen

Als Verhaftungsgrund gelten auch angebliche Verbindungen zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. So sind allein 57 Verdächtige innerhalb der Istanbuler Börse festgenommen worden. Wie die Zeitung Habertürk auf ihrer Internetseite berichtete, wird ihnen vorgeworfen, den verschlüsselten Kurzmitteilungsdienst "ByLock" genutzt zu haben. Dieser ist laut der Regierung eigens für die Gülen-Anhänger entwickelt worden. Sie sollen zudem Transaktionen für die Bank Asya ausgeführt haben, die einst zur Gülen-Bewegung gehörte und 2015 von der Regierung unter Zwangsverwaltung gestellt worden war.

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Freitag, bei Razzien in mindestens sechs Provinzen des Landes werde nach weiteren 45 Verdächtigen gefahndet.

Seit dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Juli sind wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung mehr als 113 000 Menschen festgenommen worden. Mehr als 47 000 dieser Verdächtigten sitzen nach Regierungsangaben in Untersuchungshaft. Präsident Recep Tayyip Erdoğan macht den den USA lebenden Gülen für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich.

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