Süddeutsche Zeitung

PR-Offensive von Gaddafi:"Sie werden Bin Laden an der Tür haben"

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Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi setzt voll auf Propaganda: In einem Interview betont er, Krieg gegen den Terrorismus zu führen - und droht den Europäern.

Rudolph Chimelli, Paris

Libyens vom Aufstand bedrohter Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hat vor Chaos an der Südflanke Europas gewarnt und gleichzeitig Frankreich ersucht, an die Spitze einer internationalen Kommission zur Untersuchung der Vorgänge in seinem Land zu treten.

In einem Interview mit dem Pariser Journal du Dimanche verlangte er von Frankreich, gegen Libyen gerichtete Entschließungen des UN-Sicherheitsrates durch sein Veto zu blockieren und dafür zu wirken, "die ausländische Einmischung in der Region von Bengasi zu beenden".

"Frankreich hat große Interessen in Libyen", sagte er zu den Reportern in seinem Zelt in der Asisija-Kaserne in Tripolis. "Wir haben mit Herrn Sarkozy viel zusammengearbeitet, auf vielen Gebieten." Darum hätten die Franzosen als Erste eine Untersuchungskommission entsenden sollen. "Ich hoffe, es wird seine Einstellung uns gegenüber ändern."

Gaddafis Appell dürfte in Paris allerdings kaum auf offene Ohren treffen. Der neue französische Außenminister Alain Juppé bezeichnete Gaddafis Verhalten als "verbrecherischen Wahnsinn".

In dem Interview sicherte der libysche Diktator zu, eine Kommission der UN oder der Afrikanischen Union werde volle Bewegungsfreiheit im Land haben. Zu dem gegen ihn gerichteten Aufstand sagte er: "Drohungen und Destabilisierung werden zu einem Chaos führen", aus dem al-Qaida und andere bewaffnete Gruppen als Gewinner hervorgehen würden.

"Unsere Geheimdienste arbeiten mit Ihnen zusammen"

Auch in mehreren anderen wirren Reden seit Beginn des Volksaufstands gegen sein Regime hatte Gaddafi bereits al-Qaida für den Aufstand gegen sein Regime verantwortlich gemacht. In dem Gespräch mit dem französischen Blatt drohte er nun konkret den Europäern: "Sie werden Einwanderung bekommen. Tausende Menschen werden aus Libyen nach Europa eindringen, und es wird niemand geben, der sie aufhält. Sie werden Bin Laden an ihrer Tür haben, den islamischen Dschihad ihnen gegenüber im Mittelmeer. Diese Leute werden die sechste amerikanische Flotte angreifen, es wird Piraterie geben, hier, 50 Kilometer von Ihren Grenzen entfernt."

Aber er, Gaddafi, werde diese Katastrophe für die ganze Welt verhindern. Er sei erstaunt darüber, wenn niemand erkenne, dass in seinem Land ein Kampf gegen den Terrorismus stattfinde. "Unsere Geheimdienste arbeiten mit Ihnen zusammen", erinnerte Gaddafi an sein Zusammenspiel speziell mit der CIA bei der Aufdeckung des islamistischen Untergrundes in der arabischen Welt. "Wir haben Ihnen in den letzten Jahren viel geholfen. Also warum hilft man uns nicht, wenn wir hier in Libyen im Kampf gegen den Terrorismus stehen?"

Während Gaddafi offenbar nun versucht, seine PR-Aktivitäten durch ein Interview in einem westlichen Medium zu verstärken, wird die Bewegungsfreiheit ausländischer Journalisten in der libyschen Hauptstadt Tripolis weiter stark beschränkt. Die Reporter konnten sich so auch am Wochenende keinen klaren Überblick über das militärische Geschehen verschaffen.

Offizielle libysche Quellen versicherten, bei Schüssen handle es sich um Freudenkundgebungen über Siege der Regierungstruppen im Kampf gegen die Rebellen. Die Opposition wiederum dementierte entsprechende Erfolgsmeldungen der Gaddafi-Getreuen und des libyschen Staatsfernsehens. Gleiches galt für den von Gaddafis Medien behaupteten Vormarsch der Regierungstruppen auf Bengasi, die Hochburg der Rebellen im Osten des Landes.

Vor dem Interview mit der französischen Zeitung hatte Gaddafi vor wenigen Tagen bereits die ABC-Starreporterin Christiane Amanpour und zwei britische Journalisten empfangen. In diesem Gespräch hatte der Diktator behauptet: "Es gibt keine Proteste gegen mich."

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SZ vom 07.03.2011
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