Süddeutsche Zeitung

Polen:Patriotische Problembänke

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Polens Regierung will die Heimatliebe fördern - und erntet Spott.

Von Viktoria Großmann

Die Umrisse von Staaten können einen auf verschiedene Ideen bringen: Italien ist natürlich ein Stiefel, Rumänien sieht aus wie ein Kugelfisch, Frankreich kann an ein Einfamilienhaus mit Satteldach erinnern, Deutschland allenfalls an einen an den Rändern zerschlissenen Putzlappen. Polen sieht aus, als hätte es die Quadratur des Kreises versucht, es wirkt weder ganz rund noch ganz eckig. Woran es nicht erinnert: an eine Sitzgelegenheit.

Man kann also die Idee der rechtspopulistischen polnischen Regierung, Sitzbänke in Form des Landes aufzustellen, kreativ nennen. Seit Ende August wird in jeder der 16 Woiwodschaften Polens eine solche Bank aufgebaut. Im Länderumriss ist dabei ein Brett angebracht, auf dem eine handelsübliche Parkbank steht. Man sitzt quasi auf dem Süden Polens, überwölbt vom Norden, und schaut von einer Art Bühne in die Heimat hinein. Das Ganze ist in Weiß (oben) und Rot angemalt, den Farben der Flagge. Wegen der etwas instabilen, nach Südwesten hin leicht fliehenden Form des Landes ruht das Gerüst auf einem Sockel, der blau angestrichen ist.

Ob das nun bedeuten soll, dass Polen, Land unendlicher Wälder, Seen und Berge, auf dem schwankenden Wellenkamm der Ostsee reitet oder es schlicht die Farben der regierenden Partei PiS sind - fest steht, Weiß, Rot und Blau sind in anderer Anordnung auch die Landesfarben der Nachbarn Tschechien, Slowakei - und Russland. Ausgerechnet Russland, nicht erst seit Beginn des Krieges in der Ukraine in den Augen vieler Polen ein ewig bedrohlicher Feind.

Die Gebrauchsanweisung für diese Hochsitze ähnelt der eines Fahrstuhls: Es gibt eine Obergrenze von 225 Kilo oder drei Personen auf einmal pro Bank. Wartende sollten bitte einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten. Alkoholgenuss ist beim Sitzen nicht erlaubt, Tiere müssen draußen bleiben. In Zeitungen und sozialen Medien bürgerte sich schnell der Name "patriotische Bänke" ein. Falls die Regierung die Bevölkerung in schweren Zeiten aufheitern wollte, hat sie ihr Ziel erreicht. Das Internet läuft über vor Witzen über diese Idee, die, wie verschiedene polnische Medien berichten, ihren Ursprung in der Kanzlei von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat.

Was wie Satire wirkt, war teuer: 100 000 Złoty kostet jede der überdachten Bänke in Landesfarben, insgesamt also 1,6 Millionen Złoty, was etwa 350 000 Euro entspricht. Finanziert wird das Projekt durch die staatliche Bank Gospodarstwa Krajowego, die dem Ministerpräsidenten unterstellt ist. Die Vorstandsvorsitzende der Bank, Beata Daszyńska-Muzyczka, fühlt sich von Medien und Internetkommentatoren missverstanden. Es handle sich nicht um Bänke, sondern um "Installationen", erklärte sie dem Radiosender TOK FM. Der Zweck: Aufmerksamkeit schaffen für Investitionen, die von öffentlicher Hand in Polen getätigt werden. Verbunden mit der Botschaft, so die Managerin: "Bleib in Polen."

Kürzlich hat es geregnet. Für die patriotische Installation in Poznań (Posen) hatte das sichtbare Folgen: Die Farben wurden abgewaschen, die Sperrholzplatten quollen auf. Stellt sich also erst einmal die Frage, wie lange die Bänke noch bleiben.

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