Süddeutsche Zeitung

Polen:Im Giftschrank

In der Warschauer Regierung tobt ein Kampf um die Macht.

Von Florian Hassel

Winston Churchill, der frühere englische Premier, soll Machtkämpfe im Kreml mit dem Kampf von Bulldoggen unter einem Teppich verglichen haben: Erst wenn der Sieger die Knochen des unterlegenen Hundes unter dem Teppich herauswerfe, wisse man, wer der stärkere gewesen sei. In Polen war bisher Jarosław Kaczyński der Stärkere - jetzt gibt es zum ersten Mal offenen Widerstand aus den eigenen Reihen.

Unterwirft sich der bei der Demontage des Rechtsstaates führende Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro - oder hat er so viel Belastungsmaterial gegen seine Konkurrenten gesammelt, dass er nun den Kampf gegen Kaczyński und dessen Kronprinzen, Ministerpräsident Morawiecki, aufnimmt? Diese können Ziobro schlicht feuern, doch der würde wohl nicht zögern, das Material aus seinem Giftschrank auch einzusetzen.

Sicher erscheint nur, dass Polens Opposition von diesem Machtkampf nicht profitiert. Das gelenkte Staatsfernsehen übergeht die Skandale im Regierungslager, die Opposition ist ohnehin mit sich selbst beschäftigt. Am Ende wird die Machtfrage ausschließlich durch und um Kaczyński entschieden. Und die Antwort erfährt man dann, wenn - siehe oben - der Kampf beendet und der Teppich zurückgezogen wird.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2020
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