Süddeutsche Zeitung

Polen:Erfolg mit einem Feuerwerk

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Die Regierungspartei PiS bei den Parlamentswahlen erneut die absolute Mehrheit erreicht - auch wenn sie sich noch mehr erhoffte. Sie überzeugte offenbar mit Sozialleistungen und Steuergeschenken - und hat bereits mehr versprochen.

Von Florian Hassel, Warschau

Befriedigt, nicht euphorisch: So war die Reaktion der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), als das Ergebnis der Parlamentswahl vom Sonntag feststand: knapp 44 Prozent der Wählerstimmen für die PiS, wie bisher eine absolute Mehrheit und damit zumindest zunächst weitgehend ungestörtes Regieren.

Doch die PiS hatte mit mehr gerechnet, vor allem, nachdem sie ein beispielloses Feuerwerk an Steuererleichterungen und neuen Sozialleistungen abgebrannt und für den Fall ihres Wahlsieges weitere Wohltaten wie höhere Renten und eine Verdoppelung des Mindestlohns versprochen hatte. PiS-interne Umfragen sollen der Partei gleich 50 Prozent der Stimmen vorausgesagt haben, so die Zeitung Gazeta Wyborcza. Das hätte, je nach Resultat der anderen Parteien, genug sein können für eine Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament: Die ist nötig, um ein Veto des Präsidenten zu überstimmen. Die höchsten Hoffnungen der PiS reichten gar bis zu einer Zweidrittelmehrheit, die Verfassungsänderungen ermöglicht hätte. "Wir haben viel erreicht, aber wir hätten mehr verdient", kommentierte PiS-Chef Jarosław Kaczyński, Polens eigentlicher Regierungschef.

Die Wahlkommission verkündete am Montagabend folgendes Endergebnis: 43,59 Prozent für die PiS, 27,4 Prozent für das größte Oppositionsbündnis "Bürgerkoalition" und 12,56 Prozent für das Bündnis "Linke" aus den Parteien SLD, Wiosna und Razem. Das Duo "Polnische Koalition" der Bauernpartei PSL und des Ex-Rocksängers Pawel Kukiz kam auf 8,55 Prozent, für die Konföderation, ein Bündnis des Populisten Janusz Korwin-Mikke, des Monarchisten Grzegorz Braun und Rechtsnationalisten blieben 6,81 Prozent.

Die 460 Parlamentssitze im Sejm verteilen sich laut Wahlkommission wie folgt: Die PiS kommt auf 235 Mandate - vier mehr als die absolute Mehrheit von 231 Sitzen. Die Bürgerkoalition stellt demnach 134 Abgeordnete, die Linken erhalten 49, die "Polnische Koalition" 30 und die Konföderation 11. Ein Mandat geht an den Vertreter der deutschen Minderheit.

Nach den Angaben der Wahlkommission verliert die PiS indes die bisher uneingeschränkte Kontrolle über den Senat, die obere polnische Parlamentskammer: Hier stellt die PiS künftig nur noch 48 von 100 Senatoren. Die Bürgerkoalition komme auf 43 Senatoren und die ihr nahestehende Bauernpartei PSL auf drei Senatoren. Die ebenfalls oppositionelle SLD stelle zwei Senatoren. Dazu kommen vier unabhängig angetretene Senatoren, von denen indes drei der Bürgerkoalition nahestehen. Der Senat kann vom Sejm verabschiedete Gesetze zumindest verschleppen. In jedem Fall kann die PiS die Ablehnung eines Gesetzes im Senat mit ihrer absoluten Mehrheit im Sejm überstimmen. Die Opposition hatte die Eroberung der Kontrolle über den Senat zu ihrem Mindestwahlziel gemacht.

Der Opposition bleibt zudem die Hoffnung auf die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2020. Der aktuelle Präsident Andrzej Duda kommt aus der PiS und hat seit 2015 etliche rechtswidrige Gesetze mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt, statt sein Veto dagegen einzulegen. Das Präsidentenveto kann im Parlament nur mit 276 Stimmen überstimmt werden - von dieser Drei-Fünftel-Mehrheit ist die PiS-Regierung weit entfernt. Ein Präsident aus den Reihen der Opposition könnte also rechtswidrige Gesetze der künftigen PiS-Regierung stoppen.

Bei Präsidentenwahlen tritt in Polen traditionell ein Heer von Bewerbern an; die Entscheidung fällt erst in der Stichwahl zwischen den zwei Erstplatzierten. Borys Budka, Vize-Chef der größten Oppositionspartei, schlug am Montag vor, alle Oppositionsparteien sollten sich vor der Stichwahl auf Małgorzata Kidawa-Błońska als gemeinsame Kandidatin einigen. Sie war Spitzenkandidatin der "Bürgerkoalition" bei der Parlamentswahl. Die frühere Parlamentspräsidentin gilt als politisch kompetent und kompromissfähig, wegen ihres verbindlichen Auftretens ist sie in allen Lagern angesehen. Schon bei der Senatswahl sprachen die Oppositionsbündnisse untereinander ab, wer in welchem Wahlkreis antreten werde.

Die Regierung dürfte nach dem Zusammentritt des neuen Parlamentes im November wie schon nach ihrem ersten Machtantritt im November 2015 eine Reihe Gesetze schnell durchs Parlament bringen. Zum einen steht PiS-Chef Kaczyński bei seinen Wählern im Wort, denen er diverse Wohltaten schon für die ersten 100 Tage der neuen Regierung versprach. Außerdem dürfte die PiS umstrittene Gesetze, etwa zum weiteren Abbau des Rechtsstaates, verabschieden wollen, solange der Präsident mit Andrzej Duda einer der ihren ist und diese Gesetze durchwinkt. "Der gute Wandel geht weiter", kündigte Kaczyński nach dem Wahlsieg an. Die PiS müsse "alle Dinge eliminieren, die unsere Möglichkeiten begrenzen". Schon vor der Wahl hatte Kaczyński die angeblich immer noch zu unabhängigen Gerichte und Richter als kommende Ziele genannt. Setzt er diese Ankündigungen um, verschärft er den Konfrontationskurs mit der EU. Die eröffnete gegen Polen erst in der vergangenen Woche ein weiteres Eilverfahren vor dem Gerichtshof der EU.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019
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