Süddeutsche Zeitung

Patientenverfügung:Das Sterbe-ABC

Die Justiz muss Rechtssicherheit bei Patientenverfügungen schaffen.

Von Heribert Prantl

Es gibt ein Recht zum Leben, aber keine Pflicht. Und schon gar nicht gibt es eine Pflicht des Schwerstkranken, alle möglichen Eingriffe zu erdulden. Das ist unumstritten. Gleichwohl gibt es jeden Tag in den Kliniken quälende Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen, Betreuern, Ärzten und Gerichten über das Recht zum Sterben.

Oft streiten schon die Angehörigen untereinander darüber, ob nun die Apparaturen abgestellt werden sollen oder nicht. Es sind dies furchtbare Situationen, die mit den Patientenverfügungen, wie sie Millionen Menschen unterschrieben haben, eigentlich vermieden werden sollen. Das funktioniert gut in der Theorie, aber leider oft nicht in der Realität. Seit 2003 plagt sich nun der Bundesgerichtshof mit diesen Patientenverfügungen herum, er beteuert und bekräftigt ihre Verbindlichkeit und schränkt sie dann wieder ein. Rechtssicherheit ist so nicht zu gewinnen. Es ist in Ordnung, wenn die Richter immer wieder sagen, welche Formulierungen in der Patientenverfügung zu wenig klar und konkret sind; es geht ja um existenzielle Dinge. Es wäre aber gut, wenn die Richter klar und konkret sagten, welche Formulierungen bestimmt, klar und konkret genug sind.

1497 schrieb der Prediger Johann Geiler von Kaysersberg ein "ABC, wie man sich schicken sol, zu einem kostlichen seligen tod". So etwas muss die Justiz für die heutige Zeit formulieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3114719
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.08.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.