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Parteitag der US-Demokraten:Furcht vor dem losen Mundwerk

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Der missglückte Auftritt Clint Eastwoods beim Parteitag der Republikaner sorgte für Erheiterung bei den Demokraten, doch nun wächst kurz vor der eigenen Versammlung die Sorge: Mit einem leeren Stuhl wird niemand sprechen - doch prominente Redner wie Joe Biden und Bill Clinton sind dafür bekannt, einfach loszuplappern.

Nicolas Richter, Washington

Am Dienstag beginnt in Charlotte der Parteitag der US-Demokraten, und Präsident Barack Obama wird versuchen, den Aufwärtstrend seines republikanischen Rivalen Mitt Romney zu brechen. Er setzt dabei auf die Macht der Erfahrung: Redner zur besten Sendezeit sind er selbst, sein Vize Joe Biden und der frühere Präsident Bill Clinton.

Beide sind beliebt, auch deswegen, weil sie gern drauflosreden. "Loose cannon" sagt man im Politjargon, wenn jemandem der verbale Colt locker sitzt. Immerhin sorgt das für etwas Spannung im Wahlkampf - so wie der Auftritt der republikanischen Wunderwaffe Clint Eastwood, dessen Einlage beim Parteitag der Republikaner vergangene Woche die Wahlkampfstrategen verwirrte.

Das ganze Wochenende über lästerten Karikaturisten und Twitter-Nutzer, dass die Republikaner die niedrigen Erwartungen erfüllt hätten: Mitt Romney habe bewiesen, dass er ein Mensch sei, und Clint Eastwood habe den Bühnenausgang gefunden.

Der 82-jährige Hollywoodstar war als Überraschungsgast in Tampa erschienen und hatte zwölf Minuten lang einen leeren Stuhl angegrantelt, auf dem ein imaginärer Obama sitzen sollte. Es war Kabarett, respektlos und mit wahrem Kern: Obama hat viele Ziele nicht erreicht und reagiert auf Kritik nicht immer nett.

Allerdings verwandelte Eastwood nicht nur Obama in Luft, sondern auch Mitt Romney, der gleich darauf die Nominierung als Kandidat für das Weiße Haus annahm. Am nächsten Tag blieb von Romney nur eine ferne Erinnerung, was einerseits an ihm selbst lag, andererseits daran, dass alle nur über Eastwood sprachen. Die Berater Romneys fanden, Eastwood habe viel zu lang geredet, genuschelt und insgesamt etwas sonderbar gewirkt.

Amerikas Wahlkämpfe sind Dauerwerbesendungen, in denen Zeitpunkte, Orte, Form und Inhalte so sorgsam geplant sind, wie Romney seine Hemdsärmel hochkrempelt. Die Parteitage, einst Basare der Meinungen, Machtkämpfe und Deals, sind heute bloß noch scripted events - Ereignisse nach Drehbuch. In Tampa war jede Rede mit der Wahlkampfleitung abgestimmt - nur eine nicht: die von Eastwood. Die Berater Romneys hatten dem alten Kauz einfach vertraut - Eastwood macht schließlich schon seit mehr als vier Jahrzehnten Wahlwerbung.

Auch die Demokraten müssen in dieser Woche mit unerwünschten Ausbrüchen von Authentizität rechnen. Zum einen könnten die Aktivisten der Occupy-Bewegung die Ordnung stören. Zweitens spricht Bill Clinton, der Obama lange skeptisch sah, der sich jetzt aber für ihn in die Schlacht wirft. Clinton ist wegen seiner früheren wirtschaftlichen Erfolge wichtig für den Präsidenten. Allerdings hat Clinton betont, dass er sich von Obamas Team nichts vorschreiben lasse.

Risikofaktor Nummer zwei ist Vize-Präsident Joe Biden. Als Obama ihn vor vier Jahren auswählte, rätselten seine Berater, wie sie Biden bis zur Wahl so eindämmen könnten, dass keine Katastrophe passiere. Kürzlich in Virginia erklärte er, Romney werde die Börse von der Leine lassen und "euch wieder in Ketten legen". Er sprach vor Hunderten Schwarzen. Obamas Wahlkampfmanager waren tagelang beschäftigt, den schiefen Vergleich zu erklären. Beim Parteitag soll Biden vom Teleprompter ablesen.

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Quelle:
SZ vom 03.09.2012
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