Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahl:Rechtsruck in Ungarn

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"Wir wachen in einem neuen Land auf": Viktor Orbáns rechtskonservative Fidesz-Partei hat mit 52,8 Prozent die Wahl in Ungarn für sich entschieden. Die rechtsextreme Jobbik-Partei wurde drittstärkste Kraft.

"Wir werden am Montag in einem neuen Land aufwachen" - das erklärte der Vorsitzende der rechtskonservativen Partei Fidesz, Viktor Orbán, noch am Nachmittag bei seiner Stimmabgabe in Budapest. Am Abend ist klar: Ungarns Wähler haben für die Wende nach Rechts gestimmt. Orbáns konservative Bürgerunion Bund Junger Demokraten (Fidesz) kommt im ersten Durchgang der Parlamentswahlen auf 52,8 Prozent. Die rechtsextreme Partei Jobbik ("Das bessere Ungarn") erzielt 16,7 Prozent - und kann damit auf Anhieb ins Parlament einziehen. Die Wahlbeteiligung betrug 64,3 Prozent und lag damit um 0,1 Prozentpunkte unter der vor vier Jahren.

Die Fidesz-Partei eroberte auf Anhieb 206 der 386 Parlamentssitze, teilte die nationale Wahlbehörde mit, die rechtsextreme Jobbik kam auf 26 Sitze und die Grünen auf fünf. Die übrigen 121 Parlamentssitze werden in der zweiten Runde am 25. April bestimmt, weil in den entsprechenden Wahlkreisen kein Kandidat im ersten Anlauf die absolute Mehrheit erreichte. In Ungarn werden sowohl Parteilisten als auch Direktkandidaten gewählt.

Dabei könnte es zu Parteiabsprachen kommen. Am Ende werden über ein Reststimmenverfahren nochmals 58 Abgeordnetensitze verteilt. Die Fidesz könnte so eine Zweidrittelmehrheit einheimsen, für die 258 Sitze notwendig wären, ohne zwei Drittel der Stimmen zu haben.

Fidesz-Chef Orbán sagte am Abend vor jubelnden Anhänger, das Ergebnis zeige, dass die ungarische Bevölkerung Arbeit und Ordnung wolle. "Ich weiß, ich habe die größte Aufgabe meines Lebens vor mir", sagte Orbán.

Der Erdrutschsieg der Rechten zeichnet die politische Landschaft im Donauland neu: Die bisher regierenden Sozialisten (MSZP) sind von nahezu 46 Prozent auf etwa 19,3 Prozent der Stimmen geschrumpft. Sie räumten noch am Wahlabend ihre Niederlage ein. Neben der rechtsextremen Jobbik, die mit ihrer Hass-Rhetorik gegen die Roma und die politische Elite auch die Stimmen vieler Enttäuschten einsammelte, schafft erstmals die links-ökologische Partei "Politik kann anders sein" (LMP) mit 7,4 Prozent den Sprung in die Volksvertretung. Die neue grüne Partei konzentriert sich auf ökologische und soziale Fragen.

Historische Wende

Ein schwacher Ersatz aber für die liberalen Elemente, die komplett aus dem Parlament verschwunden sind: Denn das rechts-liberale Ungarische Demokratische Forum (MDF) und die Freien Demokraten (SZDSZ), die als Schlüssel-Akteure der demokratischen Wende vor 20 Jahren galten, sind nunmehr Geschichte. Beide Parteien scheiterten an der Fünfprozenthürde.

Die SZDSZ regierte die sieben der letzten acht Jahre in Koalition mit dem MSZP, den sozialdemokratischen Erben der alten kommunistischen Arbeiterpartei. Die Liberalen, bei denen sich seit dem Untergang des Kommunismus viele einstige Widerständler und Menschenrechtler versammelt hatten, waren am Ende als Anhängsel der MSZP verschrien, den sozialdemokratischen Erben der alten kommunistischen Arbeiterpartei.

Sie hatten mit neoliberalen Vorstellungen für Sozialreformen die Wähler verschreckt. Die SZDSZ hatte das letzte Jahr noch zusammen mit den Sozialisten die Expertenregierung des parteilosen Gordon Bajnai im Parlament gestützt, der das krisengeschüttelte Land mit Hilfe von EU und Internationalem Währungsfonds vor dem Staatsbankrott bewahrt hat.

Die Wahllokale schlossen offiziell um 19 Uhr. Vielerorts mussten sie aber wegen einer neuen Wahlordnung, die bestimmte Lokale zur Stimmabgabe vorschreibt, länger offen bleiben, da sich lange Schlangen gebildet hatten. Deswegen verzögerten sich offizielle Ergebnisse bis in die Nacht. Bis zum Ende hatte sich eine teils gereizte, teils resignierte Wende-Stimmung im Land und der Hauptstadt gehalten.

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sueddeutsche.de/SZ vom 12.04.2010/dpa/Reuters/hai/woja
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