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Pannen bei NSU-Ermittlungen:Verfassungsschutz verschärft Regeln für Aktenvernichtung

Lesezeit: 2 Min.

Pannen und krasse Fehleinschätzungen beim Umgang mit der Terrorzelle NSU haben den Verfassungsschutz in eine Krise gestürzt. Nun reagiert der Inlands-Geheimdienst mit einer umfassenden Reform.

Von Susanne Höll, Berlin

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekommt neue klare Regeln für die interne Arbeit verordnet - um künftig Skandale zu verhindern und um verloren gegangenes Vertrauen bei den Bürgern und der Politik wiederzugewinnen. Auch der Verfassungsschutz hatte Hinweise auf die Mordserie der Neonazi-Terrorgruppe NSU übersehen und zudem Akten vernichtet, die zur Aufklärung der Affäre hätten beitragen können.

Nun ist eine von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen vor fast einem Jahr gestartete umfassende Reform des Inlands-Geheimdienstes nach Angaben aus Sicherheitskreisen weitgehend abgeschlossen. Insgesamt soll diese Reform die verkrusteten Arbeitsstrukturen im Apparat des Inlandsnachrichtendienstes aufbrechen, der verfassungsfeindliche Bestrebungen aller Art beobachten soll.

Wichtigster Punkt der Reform, die Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Maaßen am Mittwoch in Berlin vorstellen wollen, ist die Konzentration auf gefährliche und gewaltbereite extremistische Gruppen. Radikale Splitterorganisationen am rechten oder linken Flügel sollen nur ausnahmsweise mit geheimdienstlichen Mitteln beobachtet werden.

Zudem wurden die internen Arbeitsregeln verschärft: Fälle wie die vor Jahresfrist öffentlich gewordene - offenkundig willkürliche - Vernichtung von Unterlagen über Rechtsextremisten sollen sich nicht wiederholen können.

Im Juni 2012 war bekannt geworden, dass ein Referatsleiter des BfV unmittelbar nach Aufdeckung der NSU-Mordserie Dokumente über Neonazis in Thüringen geschreddert und seine Vorgesetzten monatelang über das Datum der Vernichtung belogen hatte. Der Fall führte zum Rücktritt des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm und löste Spekulationen über Verbindungen des Dienstes zur NSU aus, die sich aber nie erhärten ließen.

Bessere Analysen geplant

Eine neue Dienstvorschrift sieht nach Angaben aus Sicherheitskreisen vor, dass Referatsleiter ihre Akten nicht mehr auf eigene Faust, sondern nur nach intensiver Prüfung und in Absprache mit der zentralen Registratur des Dienstes vernichten können. Für die Löschung elektronischer Daten gilt eine solche Vorschrift schon längst. Auch sollen alle Mitarbeiter des Geheimdienstes künftig stärker und besser in Fragen des Datenschutzes geschult werden.

Die BfV-Spitze ist zudem bemüht, die bislang als teilweise mager bezeichnete analytische Arbeit des Dienstes zu verbessern, um krasse Fehleinschätzungen wie im Fall der rechtsextremistischen NSU-Mordserie in Zukunft möglichst zu verhindern. Inzwischen gibt es eine neue Expertengruppe "Fachprüfung Auswertung", die einzelne Abteilungen berät und Anstöße für im Amt bislang ungewöhnliche Überlegungen geben soll. Nach dem Urteil von Sicherheitsexperten lassen die Analysefähigkeiten insbesondere der Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus noch zu wünschen übrig.

Künftig will sich der Inlandsgeheimdienst auch stärker um sogenannte Cyber- Angriffe mithilfe des Internets auf staatliche Einrichtungen oder Wirtschaftsunternehmen kümmern. Dazu sollen mehr Experten eingestellt und das Engagement beim bestehenden Cyber-Abwehrzentrum verstärkt werden.

Unter Federführung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik tauschen dort der Verfassungsschutz, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt, der Bundesnachrichtendienst sowie die Bundeswehr Informationen und Erfahrungen über bedrohliche Internetangriffe insbesondere aus dem Ausland aus.

Als Folge des NSU-Skandals haben die Verfassungsschützer von Bund und Ländern bereits eine intensivere Kooperation vereinbart und ein gemeinsames Zentrum zur Extremismus- und Terrorabwehr gegründet. Auch bemüht sich Bundesinnenminister Friedrich darum, dem Kölner Bundesamt beim Kampf gegen Staatsfeinde mehr Befugnisse gegenüber den teilweise schlecht ausgestatteten Landesämtern einzuräumen. Er stößt dabei aber auf Widerstand insbesondere der größeren Bundesländer. Vom Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den NSU-Morden an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin werden alsbald weitere Vorschläge zur Reform des Verfassungsschutzes erwartet.

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Quelle:
SZ vom 01.07.2013
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