Süddeutsche Zeitung

Korruption bei Rohstoffdeal in Afrika?:Unterirdische Geschäfte

Lesezeit: 5 min

Der israelische Geschäftsmann und Milliardär Beny Steinmetz steht in Genf vor Gericht, er muss sich wegen Korruptionsvorwürfen in Zusammenhang mit einer Schürflizenz in Guinea verantworten. Spuren des Deals fanden sich schon in den Panama Papers.

Von Frederik Obermaier und Isabel Pfaff, Genf, Genf/München

Es gibt wenige Fotos von Beny Steinmetz. Der israelische Rohstofftycoon hält sich meist bedeckt, spricht selten mit Journalisten. Jetzt sitzt er tatsächlich da, im Saal des Genfer Strafgerichts, erste Reihe. Ein zierlicher Mann, kurzes Haar, scharfe Gesichtszüge. Der Anzug anthrazitfarben, das Hemd weiß, ab und zu setzt er eine blaue Einwegmaske auf.

Der 64-jährige Steinmetz ist als Diamantenhändler groß geworden. Heute, so heißt es auf seiner englischsprachigen Website, bewege sich "die Steinmetz-Marke" an der Spitze verschiedener Branchen wie Bergbau, Mineralien, Immobilien, Öl und Gas. Das US-Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf eine Milliarde Dollar, womit er zu den reichsten Männern Israels gehört. In Deutschland ist Steinmetz vor allem bekannt als früherer Investor beim Warenhauskonzern Karstadt.

Um den Unternehmer ranken sich seit Jahren Gerüchte: Geschichten, die mit fragwürdigen Geschäften im Rohstoffbereich, meist in afrikanischen Ländern, zu tun haben. Eines dieser Geschäfte hat Steinmetz nun in Genf vor Gericht gebracht: Die Staatsanwaltschaft, die bereits im August 2019 Anklage gegen Steinmetz und zwei mutmaßliche Vertraute erhoben hat, wirft Steinmetz und den beiden anderen Angeklagten die Bestechung fremder Amtsträger und Urkundenfälschung vor. Es geht um gigantische Eisenerz-Vorkommen und darum, wer diese Lagerstätten zu welchem Preis ausbeuten darf. Ein Geschäft, das die britische Zeitung Independent einmal den " korruptesten Deal des Jahrhunderts" nannte.

Um die Hintergründe zu verstehen, muss man nach Westafrika blicken, nach Guinea. Das Land zählt zu den korruptesten und zugleich ärmsten Staaten der Welt. Im " Index für humane Entwicklung" belegt es Rang 178 von 189. Gleichzeitig ist Guinea reich an Rohstoffen und Edelmetallen, hat Öl und Diamanten, Gold und Bauxit - vor allem aber: Eisenerz, jenes unscheinbare Mineral, aus dem Stahl hergestellt wird. Schätzungsweise mehr als hundert Millionen Tonnen schlummern in Guinea unter der Erde, das meiste davon im Hinterland, in den Simandou-Bergen.

Flossen Millionen an Bestechungsgeld, um an die Schürflizenz zu kommen?

Nachdem einem anderen Unternehmen die Lizenz entzogen worden war, bekam die Beny Steinmetz Group Resources (BSGR) 2008 das Recht, dort das wohl größte unerschlossene Eisenerzvorkommen der Welt abzubauen. Und zwar offenbar ohne der guineischen Regierung dafür nennenswert etwas zu zahlen. Das Unternehmen soll sich lediglich zu Investitionen in Millionenhöhe in das Eisenerzfeld und den Bau einer Eisenbahnlinie bereit erklärt haben.

Es war ein sonderbares Geschäft. Warum sollte Guinea eine lukrative Schürflizenz im Gegenzug quasi verschenken?

Die Genfer Staatsanwaltschaft vermutet dahinter Korruption. Die Ermittler werfen Steinmetz und seinen mutmaßlichen Komplizen vor, seit 2005 mindestens zehn Millionen Dollar Bestechungsgeld gezahlt zu haben, um an die Schürflizenzen in Guinea zu gelangen. Eine besondere Rolle sollen dabei mehrere Briefkastenfirmen gespielt haben, die einen "Kooperationsvertrag" geschlossen hatten und deren Spuren sich auch in den Panama Papers finden, die vor einigen Jahren der Süddeutschen Zeitung zugespielt worden sind: die Firma Pentler Holdings und die Firma Matinda Partners and Co. Ltd., beide mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Ein auf das Jahr 2008 datierter Vertrag besagte, dass Matinda gegen Zahlung einiger Millionen Dollar " alles Nötige" unternehmen werde, "um von den Behörden die Unterschrift für die angesprochenen Abbaugebiete für die Firma BSG Resources Guinea zu bekommen".

Die Abmachung hätte ein im Rohstoffgeschäft durchaus üblicher Beratervertrag gewesen sein können - wenn jenes Unternehmen namens Matinda nicht Mamadie Touré gehört hätte, seinerzeit offenkundig eine von vier Ehefrauen des damaligen guineischen Diktators Lansana Conté.

Es gab ein Angebot, verräterische Unterlagen zu vernichten

2008 starb der Diktator. Unter seinem Nachfolger Alpha Condé, der bis heute Präsident Guineas ist, begann ein Komitee, den Simandou-Deal zu untersuchen. Schon 2012 kamen die Ermittler zu dem Schluss, dass in der Sache etwas faul gewesen sein muss. 2014 schließlich entzog die guineische Regierung der BSGR die Konzession für den Schatz der Simandou-Berge. Es gebe Beweise für "korrupte Praktiken" bei der Konzessionsvergabe, begründete die Regierung ihre Entscheidung.

In dieser Zeit nahm auch die Genfer Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Beny Steinmetz lebte mit seiner Familie von 2010 bis 2016 in der Rhone-Stadt. Zudem, so steht es in der Anklageschrift, sollen von Genf aus, namentlich über die Firma Onyx Financial Advisers, die Geschäfte in Guinea organisiert worden sein. 2013 durchsuchte die Genfer Polizei die Büros der Firma, das Privathaus und das Privatflugzeug von Steinmetz, er selbst wurde mehrmals vernommen. 2019, nach sechs Jahren Ermittlungsarbeit, erhob der Kanton schließlich Anklage.

Die Schweizer Ermittler stützen sich unter anderem auf Aussagen von Mamadie Touré, der Frau des früheren Präsidenten von Guinea - und Empfängerin des mutmaßlichen Bestechungsgeldes. Touré ist nach dem Tod ihres Mannes nach Florida gezogen und hat offenbar einen Deal mit dem FBI gemacht. So haben amerikanische Ermittler mehrere Gespräche von Mamadie Touré und einem Franzosen, der zeitweise für Beny Steinmetz Group Resources tätig war, heimlich mitgeschnitten. Laut Protokollen der abgehörten Gespräche versuchte der Mann, Touré dazu zu überreden, verräterische Unterlagen zu vernichten. Dafür bot er ihr mindestens eine Million Dollar an. Alles sei bereits von ganz oben abgesegnet, von einem "Beny" - womöglich Beny Steinmetz.

Angeklagt sind in Genf nun Beny Steinmetz, außerdem der Franzose, der Mamadie Touré zum Dokumentenvernichten überreden wollte - und die frühere Geschäftsführerin von Onyx Financial Advisors. Laut den Panama Papers hatte die Firma einst die Pentler Holdings gründen lassen: jene Briefkastenfirma, die mit Tourés Firma Matinda einen "Kooperationsvertrag" geschlossen hat.

Richterin weist die ersten Beschwerden der Verteidigung zurück

Alle drei sitzen an diesem kalten Januartag in Gerichtssaal A3, Reihe eins bis drei, umgeben von ihren Anwälten. Die drei Verteidigerteams versuchen zunächst, den Prozess mit präjudiziellen Fragen aufzuhalten. Die Staatsanwaltschaft habe Reisen nach Israel und die USA unternommen, ohne diese ordnungsgemäß zu dokumentieren - so lautet ein zentraler Vorwurf. Das Verfahren sei deshalb völlig intransparent, die Anklage alles andere als "gerecht, fair und würdig".

Claudio Mascotto, der als Staatsanwalt die Ermittlungen bis 2019 leitete und an den sich die Vorwürfe der Verteidiger primär richten, ist an diesem Verhandlungstag nicht anwesend: Weil er inzwischen Richter ist, wird er von Staatsanwalt Yves Bertossa vertreten. Der wird laut, rechtfertigt das Vorgehen der Ermittler und zitiert Schweizer Gerichte, die dieselben Vorwürfe im Vorfeld der Verhandlung bereits abgeschmettert haben. Die Vorsitzende Richterin sieht es ähnlich: Sie weist alle Beschwerden zurück und beginnt mit der Anhörung der drei Angeklagten.

Fünf Verhandlungstage sind veranschlagt für den Prozess. Ob auch die Kronzeugin, Mamadie Touré, persönlich auftreten wird, ist unklar. Vorgesehen ist sie für den kommenden Mittwoch.

Steinmetz' Anwalt, der prominente Genfer Verteidiger Marc Bonnant, machte schon vor Beginn der Verhandlung klar, dass er die zentrale Rolle, die Touré in der Anklage spielt, angreifen wird. "Mamadie Touré war nicht die Ehefrau des Präsidenten und sie ist keine öffentliche Bedienstete und kann daher nicht bestochen werden", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Darüber hinaus entbehrten die Vorwürfe gegen Steinmetz "jeglicher Grundlage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht". Die Anklage postuliert dagegen, Mamadie Touré habe regierungsähnlichen Einfluss auf ihren Mann und auch seine Minister ausgeübt. Sie habe sich "direkt und persönlich" um das Guinea-Projekt der BSGR gekümmert.

Für Beny Steinmetz steht viel auf dem Spiel. Zwar wurden die Vorwürfe in Guinea im Rahmen eines Deals fallengelassen. Sollte er nun aber in der Schweiz verurteilt werden, drohen ihm zwischen zwei und zehn Jahre Haft. Das Urteil soll am 22. Januar fallen - bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

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