Süddeutsche Zeitung

Österreich:Kooperation mit Rechtsrechten

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Die ÖVP koaliert in Niederösterreich mit der FPÖ. Und macht damit gemeinsame Sache mit Burschenschaftern und NS-Liederbuch-Bewahrern.

Von Cathrin Kahlweit

Die Noch-Parteichefin der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, ist als Tochter einer alleinerziehenden Mutter in Wien-Favoriten groß geworden und hat als Medizinerin, Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit und Gesundheitsministerin ihren Weg gemacht. Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ist in eine bürgerliche Familie auf dem Land hineingeboren und hat als Lehrerin, Sozialministerin in St. Pölten und Innenministerin im Bund ihren Weg gemacht. Zwei Kämpferinnen, zwei Karrieren.

Was die beiden trennt, ist, neben dem Modegeschmack, unter anderem die Tatsache, dass Rendi-Wagner jene (bisweilen krawallige) Volkstümlichkeit abgeht, mit der Mikl-Leitner gern auftrumpft, und dass umgekehrt Mikl-Leitner jene (bisweilen steife) Intellektualität fehlt, die Rendi-Wagner in Debatten durchaus erfolgreich einsetzen kann. Die eine hat eine Koalition mit der FPÖ jetzt ausgeschlossen, sollte sie nach der Kampfabstimmung, die in dieser Woche mit ihrem Widersacher Hans Peter Doskozil fixiert wurde, Parteichefin bleiben. Die andere hat in der Landesregierung schon bisher mit den Rechtsrechten kooperiert und keine roten Linien gezogen. Nun wird sie eine formale Koalition mit der FPÖ eingehen.

Was die beiden Frauen eint? Man möchte derzeit nicht mit ihnen tauschen.

Mein Vater, Gott hab ihn selig, pflegte, nachdem er dieser den Rücken gekehrt hatte, zu sagen: "Wer sich in die Politik begibt, kommt darin um." Da ist was dran. Andererseits: Will man, um nicht in der Politik umzukommen, mit dem Burschenschafter, NS-Liederbuch-Bewahrer und FPÖ-Chef Udo Landbauer sowie seinem Freund, dem Asyllandesrat und Stacheldrahtfan Gottfried Waldhäusl, gemeinsame Sache machen? Will man sich von Leuten wählen lassen, die noch vor Wochen nichts als Verachtung für die Landeshauptfrau über hatten und einen Kotau in der Corona-Politik verlangen, der rechtlich fragwürdig bis unmöglich und politisch sowieso unredlich wäre?

Die ÖVP hat wissen lassen, die Schnittmenge mit den Freiheitlichen sei größer als mit der SPÖ. Das gilt für St. Pölten, aber es gilt auch, wie man Kanzler Nehammers Zukunftsrede vergangene Woche entnehmen konnte, für die Bundespartei. Damit wäre dann also alles gesagt und am 23. März, wenn Mikl-Leitner von Landbauers Truppen ins Amt gehoben wird, auch alles getan. Vermutlich wird danach die Landeshymne im Landtag angestimmt.

Apropos Landeshymne: Ihr Text, darauf hat der Schriftsteller Thomas Sautner neulich in einem Artikel für die Wiener Zeitung hingewiesen, stammt übrigens von Franz Karl Ginzkey, der Mitglied im "NS-Kampfbund für Deutsche Kultur" war, die Bücherverbrennungen im Deutschen Reich verteidigte und von Hitler persönlich in die NSDAP aufgenommen worden war. Die Hymne wird bis heute bei feierlichen Anlässen von Vertretern sämtlicher Parteien gesungen. Manchmal möchte man gern alles und alle tauschen.

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