Süddeutsche Zeitung

Strache-Video:Spur führt zu möglichem FPÖ-Spendenverein

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Von Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Ulrich Schäfer, Wien

Zwei Tage nach dem Rücktritt von Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache kommt immer mehr Licht in die Geldflüsse im Umfeld der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ. Ein Unternehmer bestätigte dem ORF, er sei von Strache angesprochen worden, ob er nicht an einen Verein namens "Austria in Motion - Verein zur Reform der politischen Kultur in Österreich" spenden wolle. Auch in dem Ibiza-Video, welches Süddeutsche Zeitung und Spiegel am Freitag veröffentlicht hatten, war von einem Verein die Rede. Strache hatte bei dem Treffen mit einer angeblich reichen Russin im Juli 2017 den Namen des Vereins nicht genannt, dessen offizieller Zweck sei, "Österreich wirtschaftlicher (zu) gestalten". Der Verein habe nichts mit der Partei zu tun. Strache deutete aber an, man könne über ihn die FPÖ unterstützen, ohne dass dies dem Rechnungshof offengelegt werden müsse.

Der namentlich nicht genannte Unternehmer sagte nun dem ORF, er sei bereits im Frühjahr 2017 von Strache angesprochen worden. Anschließend habe er sich mit diesem und dem jetzigen Innenminister Herbert Kickl getroffen. Der Unternehmer sagt, das Gespräch sei "extrem unangenehm" gewesen. Mitte Juli 2017 habe Rechtsanwalt Markus Tschank, der damalige Kassierer von "Austria in Motion", ihm dann die Statuten des Vereins und die Kontonummer übergeben. Als der Unternehmer nicht reagierte, habe sich Tschank im August 2017 erneut gemeldet. Der Unternehmer lehnte eine Spende mit der Begründung ab, dass er nie Parteien finanziere.

Der Vorsitzende des Vereins, Markus Braun, bestätigte dem ORF, dass "Austria in Motion" insgesamt 382 765 Euro von 37 Spendern bekommen habe, davon habe der Verein heute noch 341 273,62 Euro. Braun sagte, der Verein sei noch in der "Akkumulationsphase" und sammle Spenden, die er vor allem für Kooperationen mit Unis und Studien ausgeben wolle. Braun sagte der SZ, es habe "nie" die Intention gegeben, den Verein als "Vorfeldorganisation irgendeiner Partei" zu nutzen. Es sei kein Geld an die FPÖ weitergeleitet worden. Der Verein habe auch kein Geld von jenen bekannten österreichischen Unternehmern bekommen, die Strache im Ibizia-Video als mögliche Geldgeber genannt hatte, darunter der Kaufhaus-Unternehmer René Benko und Waffenfabrikant Gaston Glock.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ging unterdessen weiter auf Distanz zum Koalitionspartner FPÖ. In einer Pressekonferenz nach einer Sitzung des ÖVP-Parteivorstands in Wien sagte er Montagmittag, dass durch die Ibiza-Affäre dem Ansehen Österreichs geschadet worden sei. Er wolle nun stabile Verhältnisse gewährleisten und eine lückenlose Aufklärung. Es sei zudem ein "Links- als auch ein Rechtsruck" zu verhindern bei der kommenden Europawahl am Sonntag. Er wolle deshalb die "Volkspartei stärken" - ohne den "Hemmschuh", also die FPÖ.

Wie der Kanzler sich die Zeit bis zu den Neuwahlen im September vorstellt, sagte er nicht. Fragen der Presse waren wie meist bei Kurz nicht erlaubt. Am späteren Nachmittag kam er mit dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zusammen. Es dürfte dabei vor allem darum gegangen sein, ob die Koalition in der Übergangszeit mit den FPÖ-Ministern weitergeführt werden solle. Vor allem Innenminister Kickls Ablöse steht zur Debatte. Kanzler Kurz äußerte sich dazu bisher nicht konkret, deutete aber Zweifel an, ob Kickl der richtige Mann sei, um die nötige Aufklärung in der Ibiza-Affäre sicherzustellen.

Schon am Sonntagabend zeichnete sich ab, dass die Tage Kickls als Minister gezählt sein dürften. Angesichts einer möglichen Verwicklung von Kickl in die Spendenpraxis der FPÖ hatte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) gesagt: "Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten auch vorschlagen wird, den Innenminister aus der Regierungsverantwortung zu entlassen."

Die FPÖ lehnt das aber ab - bei einer Absetzung Kickls wollen die anderen Minister geschlossen zurücktreten. Ein Angriff auf den Innenminister wird als Angriff auf den Kern der FPÖ verstanden. Die Rechtspopulisten äußerten deshalb scharfe Kritik am Vorgehen der ÖVP.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2019
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