Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Zu gescheit für dieses Land

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Eine europäische Stimme in Österreich ist verstummt. Zum Tod von Erhard Busek, der für eine andere ÖVP stand: gutbürgerlich, sozial und liberal.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Bis zuletzt war Erhard Busek umtriebig: In einem Kommentar schrieb der 80-Jährige, dass er eine Art österreichischer Neutralität für die Ukraine für besser geeignet hielt als einen raschen EU- oder Nato-Beitritt - zwei Vorschläge, die er als "dumm" bezeichnete. Und er kritisierte das Engagement von Wolfgang Schüssel beim russischen Lukoil-Konzern. Keiner, vor allem nicht seine Parteifreunde, war gefeit vor seinen Ratschlägen, die er selbst manchmal mit der ihm eigenen Ironie als "wohlfeil" bezeichnete.

In dieser Woche ist Erhard Busek gestorben, ein Politiker, der für eine ÖVP stand, die im besten Sinne gutbürgerlich war. Eine Partei, in der Bildung und Kultur zählten, soziales Engagement genauso wie liberale Einstellungen. Busek war einer, der für offene Grenzen warb. Der Balkan war für ihn nicht ein Raum für Flüchtlinge, deren Routen unterbunden werden mussten, sondern eine Region, in der sich die Zukunft Europas entscheidet.

Busek interessierte sich für diesen Raum jenseits des Eisernen Vorhangs zu einer Zeit, als sich Außenpolitik darin erschöpfte, Österreich mit Deutschland zu vergleichen. Er knüpfte damals Kontakte zu Dissidenten wie Lech Wałęsa oder Václav Havel, die nach 1989 zu Führungsfiguren in ihren Ländern wurden.

Europäische Perspektiven für Österreich

ÖVP-Chef, Vizekanzler und Wissenschaftsminister wurde Busek, das Außenministerium blieb ihm versagt. Als omnipräsenter Präsident des Forums Alpbach und mit seinem Institut für den Donauraum und Mitteleuropa brachte er europäische Perspektiven in die von österreichischer Selbstbespiegelung geprägten Debatten ein.

Der Wortgewaltige galt als "zu gescheit für die Politik", wie es der frühere Landeshauptmann Josef Pühringer aus Oberösterreich formulierte. Seinem Nachfolger als ÖVP-Chef, Wolfgang Schüssel, gab Busek den Ratschlag: "Wolferl, stell dich dumm, die Gscheiten mögens net."

Busek litt am Klein-Klein der österreichischen Politik. Eine seiner treffenden Beschreibungen wird häufig zitiert: "Eine österreichische Sonderform der Konfliktvermeidung ist die Tendenz, den Kompromiss schon zu wissen, bevor man den Konflikt erkannt hat, um womöglich auf diese Weise das Problem überhaupt zu verkennen." Er selbst erkannte Probleme, auch die von Sebastian Kurz. "Dass er von bestimmten Dingen gar nichts weiß", bezeichnete Busek als Manko. Er machte öffentlich, dass Kurz ihm mehrfach die Antwort schuldig geblieben sei, wofür er inhaltlich stehe.

Das wusste man bei Busek stets. Ein Treffen mit ihm war eine Herausforderung, sein Erfahrungs- und Wissensschatz immens. Busek war nicht nur ein Intellektueller, er hatte auch Charme und Witz. Und er verstand die Verweigerung des Handkusses als Widerstandsakt.

In der ÖVP gibt es nun außer Franz Fischler keinen mehr, der wie Busek für europäisches Engagement und Geschichtsbewusstsein steht. Buseks Freund Karel Schwarzenberg, der es in Tschechien ins Außenministerium schaffte, schrieb in seinem Nachruf auf Busek treffend, dass "leider Österreich und auch die eigene ÖVP nie richtig seine Bedeutung erfasst" hätten.

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