Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Zschäpe-Anwalt spricht Nebenklägerin Opferrolle ab

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Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

Offener Streit zwischen den Anwälten

Im NSU-Prozess ist es zum offenen Streit zwischen der Verteidigung von Beate Zschäpe und der Nebenklage der Opfer aus der Kölner Keupstraße gekommen. Die Verteidigung will erreichen, dass der Kieler Anwalt Alexander Hoffmann nicht mehr an dem Verfahren teilnehmen darf.

In einem Antrag an das Gericht erklärte Zschäpes Anwalts Wolfgang Heer am Donnerstag, die Mandantin von Hoffman, eine türkische Frau aus der Kölner Keupstraße, sei nicht wirklich durch die Bombe in Gefahr gewesen. Die Frau sei zwar zum Zeitpunkt der Detonation hochschwanger gewesen und habe Ängste gehabt. Aber sie habe sich in einem Zimmer abseits der Straße nach hinten hinaus aufgehalten und auch ihr Kind habe sie ohne Probleme geboren. Ihre Ängste gründeten schon in der Kindheit.

Verhalten der Verteidigung "widerlich"

Hoffmann hatte das Verhalten der Verteidigung, die den Psychologen der Frau eingehend befragt hatte, in einem Interview als "widerlich" bezeichnet. Hier werde versucht, echte gegen vermeintliche Opfer auszuspielen. Zschäpes Anwälte wiesen "diese impertinenten und geschmacklosen Unterstellungen mit aller Deutlichkeit" zurück. Sie seien eines Organs der Rechtspflege unwürdig. Die Verteidigung stelle nicht in Frage, dass die Explosion auch psychische Folgen für die Opfer habe.

Hoffmann wies die Kritik zurück. Es sei reiner Zufall gewesen, das sich die Frau zum Zeitpunkt der Explosion nicht im Kinderzimmer, das zur Straße hin lag, aufgehalten habe, sondern im Wohnzimmer nach hinten.

Juristisch könne die Nebenklage nur widerrufen werden, wenn von vornherein klar gewesen sei, dass die Mandantin nicht zur Nebenklage berechtigt war. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Hoffmann wurde dann emotional: "Ich kritisiere auch jetzt noch mal scharf, dass der Antrag nur dazu dient, um einen unbequemen Vertreter der Nebenklage rauszuschmeißen und noch einmal die ganzen Opfer in der Keupstraße herunterzumachen."

Unbequemer Rechtsanwalt fühlt rechter Szene auf den Zahn

Rechtsanwalt Hoffmann gilt als linker Anwalt, der immer wieder Zeugen aus der rechten Szene auf den Zahn fühlt und seinerseits die Argumentation der Verteidigung scharf zerlegt. Die Frau aus der Keupstraße ist seine einzige Mandantin im NSU-Prozess.

Die Verteidigung von Ralf Wohlleben schloss sich dem Antrag Zschäpes an und nannte die Erklärung Hoffmanns eine "Entgleisung". Unterstützung erhielt Hoffmann von der Anwältin Edith Lunnebach, die die Opfer des ersten Anschlags in Köln in der Probsteigasse vertritt. Dort hatte eine Bombe in einem Lebensmittelladen das Gesicht eines jungen Mädchen zerstört. In der Probsteigasse hatte das Gericht auch die Nebenklage der nicht verletzten Eltern zugelassen, nicht nur die der durch die Bombe schwer verletzten Tochter.

"Es kann nicht darauf ankommen, ob es durch Zufall keine Verletzten gegeben hat`, sagte Lunnebach und wandte sich an Zschäpes Verteidiger, sie sollten statt in solche Anträge ihre Energie lieber in Anträge zur Entlastung ihrer Mandantin stecken.

Präzedenzfälle sprechen für einen Verbleib des Nebenkläger-Anwalts

Sollte das Gericht dem Antrag der Zschäpe-Verteidigung stattgeben, müsste Hofmann den Prozess verlassen. Allerdings gibt es Präzedenzfälle aus anderen Verfahren, dass die Nebenkläger dennoch bleiben dürfen, obwohl sich ihre Berechtigung zur Nebenklage zerschlagen hatte.

Sollte das Gericht dem Antrag folgen, bleiben gleichwohl an die 80 weitere Nebenkläger im Verfahren. Ein anderer Anwohner der Keupstraße hat nach seiner Befragung durch das Gericht dem Vernehmen nach seine Nebenklage zurückgenommen.

Für Beate Zschäpe ändert das mögliche Ausscheiden einer Nebenklägerin und ihres Anwalts nichts.

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Quelle:
SZ vom 6.2.2015
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