Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Ralf Wohlleben muss in Haft bleiben

Lesezeit: 2 Min.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz, München

Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, Angeklagter im NSU-Prozess, bleibt in Untersuchungshaft. Dies hat der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München vor Kurzem beschlossen, wie Süddeutsche.de am Dienstag erfuhr. Die Richter lehnten einen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls ab.

Wohlleben sitzt seit gut drei Jahren in Untersuchungshaft, ihm wird von der Bundesanwaltschaft Beihilfe zu Mord in neun Fällen vorgeworfen. Wohlleben, der vor Gericht schweigt, soll dem NSU Ende 1999 oder Anfang 2000 die Pistole des Typs Ceska 83 beschafft haben, mit der die Terroristen neun Migranten ermordeten.

Verteidigung: Tatverdacht hat sich nicht erhärtet

Wohllebens Verteidiger hatten argumentiert, der Tatverdacht habe sich im Laufe der Beweisaufnahme nicht erhärtet. Die Pistole sei von Zeugen nicht eindeutig identifiziert worden, der Weg der Tatwaffe ungeklärt. Zudem hatten die Anwälte dem Gericht vorgeworfen, nicht zügig genug zu verhandeln. Die Fortsetzung der langen Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig.

Der Senat sieht das anders. Es bestehe weiterhin ein "dringender Tatverdacht" gegen Ralf Wohlleben. Das Gericht sieht es nach derzeitigem Stand offenbar für erwiesen an, dass die Ceska-Pistole aus der Schweiz kam und dann über einen Szene-Laden in Jena durch den Kurier Carsten S. an die NSU-Terroristen gelangte. Wohlleben soll den Kauf eingefädelt haben. Es hatte widersprüchliche Angaben von zwei Schweizer Zeugen gegeben. Die Richter machten in ihrem Beschluss deutlich, dass sie die Aussagen des einen für glaubhaft halten, die des anderen nicht.

Ermittler: Es war die Mordwaffe

Für glaubhaft halten sie zudem die Aussagen des Verkäufers aus dem Szene-Laden. Dieser Mann - Andreas S. - hatte Wohlleben und Carsten S. belastet und die Waffe, die er ihnen damals verkauft haben will, als eine osteuropäische Pistole beschrieben, eventuell mit tschechischer oder kyrillischer Aufschrift. Die Pistole habe einen Schalldämpfer gehabt. Die Ermittler sind davon überzeugt, dass es die Mordwaffe des NSU war. Und die Richter folgen mit ihrem Beschluss dieser Ansicht.

Derzeit läuft also alles auf eine langjährige Haftstrafe für den Angeklagten Wohlleben hinaus. Das Gericht hält die Fortsetzung der Untersuchungshaft für verhältnismäßig. Es sei außerdem nicht zutreffend, dass im NSU-Prozess nicht zügig genug verhandelt werde.

Wohllebens Anwälte reagierten am Dienstag mit mehreren umfangreichen Beweisanträgen, die ihren Mandanten entlasten sollen. So wollen sie unter anderem den Präsidenten des Bundesamt für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, als Zeugen laden lassen. Die Anwälte wollen zudem ein Dutzend Zeugen aus der sächsischen Neonazi-Szene hören. Ihr Ziel ist es zu zeigen, dass Wohlleben nicht, wie ihm vorgeworfen wird, eine zentrale Position bei der Koordination von Unterstützung für die Terroristen gehabt habe. Sollte das Gericht all die benannten Zeugen tatsächlich laden, würde dies den Prozess erheblich in die Länge ziehen.

V-Mann "Piatto" sagt erneut aus

Außerdem wurde der ehemalige V-Mann "Piatto" als Zeuge gehört. Wie bereits im Dezember trat er zum eigenen Schutz offensichtlich verkleidet auf, um sein Aussehen zu verschleiern. Der frühere Neonazi befindet sich seit Jahren in einem Schutzprogramm.

Wie schon im Dezember berief sich Piatto bei einer langwierigen Befragung immer wieder auf Erinnerungslücken. Einen direkten Kontakt zu den NSU-Terroristen will er nicht gehabt haben. Er hatte aber Ende der Neunzigerjahre dem Verfassungsschutz mehrmals über ein untergetauchtes Neonazi-Trio berichtet. Die Informationen will er von anderen Szene-Mitgliedern erhalten haben. Der Ex-Spitzel bestätigte, dass er früher auch Kontakte zu englischen Neonazis hatte, die zur militanten Gruppe "Combat 18" gehörten. Er sagte, in Deutschland hätten manche in der Szene in Combat 18 ein Vorbild gesehen.

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