Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Haftbefehl gegen mutmaßlichen NSU-Helfer André E. erlassen

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Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Das Oberlandesgericht München hat am Mittwochabend Haftbefehl gegen André E. erlassen. Der Vorsitzende Richter des Staatsschutzsenats, Manfred Götzl, sieht bei dem Angeklagten im NSU-Prozess Fluchtgefahr. Der 38-Jährige ist nun in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim - wie schon die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und der Mitangeklagte Ralf Wohlleben.

Über den Haftbefehl entschied das Gericht am Abend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es kam zu mehreren Verzögerungen. Die Verteidigung von André E. hatte sich zunächst an der Anwesenheit mehrerer Nebenklagevertreter und der Verteidiger von Wohlleben und Zschäpe gestört. Als Haftgründe sollen Schwerkriminalität und Fluchtgefahr genannt worden sein. Nach einer kurzen Unterbrechung sollte die Verteidigung von André E. noch Gelegenheit für eine Erklärung bekommen.

Zwölf Jahre Gefängnis hatte die Bundesanwaltschaft am Dienstag im NSU-Prozess für den mutmaßlichen NSU-Helfer André E. gefordert und sogleich Untersuchungshaft beantragt. E. sei zwar in den vergangenen gut vier Jahren an jedem Verhandlungstag erschienen, nun jedoch erstmals mit der Tatsache konfrontiert, dass er für sehr lange Zeit ins Gefängnis kommen könnte, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer. Um seine Flucht zu verhindern, hatte Richter Götzl André E. schon am Vortag sicherheitshalber in Gewahrsam nehmen lassen.

Die Bundesanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass André E. seinen Freunden Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geholfen hat, eine Bombe zu legen und Raubüberfälle zu begehen. E. soll für die mutmaßlichen NSU-Terroristen unter anderem ein Wohnmobil gemietet haben, mit dem sie nach Köln fuhren, um einen Sprengstoffanschlag auf ein iranisches Geschäft in der Probsteigasse zu verüben. Die Bundesanwaltschaft wertet dies als Beihilfe zum versuchten Mord. Die 19-jährige Tochter des Ladenbesitzers erlitt bei dem Anschlag schwere Verbrennungen und Schnittverletzungen.

Fortan wird André E. das Gericht nicht mehr durch den Haupteingang betreten

Verteidiger Michael Kaiser widersprach einer Fluchtgefahr schon am Dienstag im NSU-Prozess. Sein Mandant habe Frau und Kinder und werde wie all die Jahre zuvor weiterhin an jedem Verhandlungstag erscheinen. Kaiser sagte auch, André E. sei von dem Antrag auf Haftbefehl keineswegs überrascht worden und trotzdem nicht weggelaufen, sondern brav vor Gericht erschienen. Sogar seine Tasche hätte er schon gepackt. Nebenklagevertreter Yavuz Narin konterte: André E. sei in der Neonaziszene bestens vernetzt und die gepackte Tasche könnte ja auch für eine Flucht gedacht sein.

Von November 2011 bis Juni 2012 war André E. schon einmal in Untersuchungshaft. Der Bundesgerichtshof hob den Haftbefehl damals wieder auf. E. sei nicht dringend tatverdächtig, entschieden die Richter in Karlsruhe damals. Am NSU-Prozess, der im Mai 2013 begann, nahm er bisher als freier Mann teil. Damit ist nun Schluss.

Fortan wird André E. das Gericht nicht mehr durch den Haupteingang betreten, sondern von Justizbeamten aus einer sogenannten Vorführzelle zur Anklagebank gebracht werden. André E. hat im NSU-Prozess bisher geschwiegen. Auf seinen Bauch hat er sich die Worte "Die Jew Die" - "Stirb, Jude, stirb" - tätowieren lassen.

Von den insgesamt fünf Angeklagten sind nun nur noch zwei in Freiheit: Holger G. und Carsten S. Der Prozess sollte am Donnerstag mit den Plädoyers der Nebenklage fortgesetzt werden.

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