Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Bundesanwaltschaft sieht Zschäpe als NSU-Mittäterin überführt

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Nach mehr als vier Jahren ist am 375. Tag des Münchner NSU-Prozesses mit den Plädoyers begonnen worden. Den Anfang macht die Bundesanwaltschaft. Sie fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Bundesanwalt Herbert Diemer sagte, die Anklagevorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt.

Zschäpe sei Mittäterin bei den zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und den schweren Raubüberfällen des NSU. Sollte das Oberlandesgericht in seinem Urteil dieser Argumentation folgen, droht Zschäpe lebenslange Haft wegen Mordes.

Die Anklage argumentierte, Zschäpe sei entgegen ihrer eigenen Aussage gleichberechtigtes Mitglied des NSU gewesen und in die Logistik der Taten arbeitsteilig eingebunden. "Die Täter, Hoher Senat, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe", sagte Diemer.

Obwohl die Morde von Zschäpes mittlerweile verstorbenen Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangen worden seien, habe die Angeklagte eine wesentliche Rolle im Hintergrund gespielt, sagte Diemers Kollegin, Oberstaatsanwältin Anette Greger. "Die Angeklagte war der entscheidende Stabilitätsfaktor der Gruppe", sagte Greger. Sie habe an den Planungen mitgewirkt und sich um Geld und Alibis gekümmert. Den Ermittlungen zufolge ermordete der NSU binnen zehn Jahren neun Männer türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin.

"Motiv für all diese Verbrechen war rechtsextreme Ideologie"

Die Bundesanwaltschaft gab diese Einschätzung zu Beginn ihres Plädoyers, das über 22 Stunden an mehreren Prozesstagen gehalten werden soll. Eine Aussage zu den geforderten Strafen wird erst am Ende des Plädoyers an einem der kommenden Verhandlungstage erwartet. Dann kommt die Verteidigung zum Zuge. Das Urteil dürfte erst nach der Sommerpause fallen.

Die Verbrechen des NSU seien die "heftigsten und infamsten" Terroranschläge seit der linksextremen Rote Armee Fraktion (RAF) gewesen, sagte Diemer. "Motiv für all diese Verbrechen war rechtsextreme Ideologie." Das Ziel sei ein "ausländerfreies" Land gewesen. Die Bundesrepublik habe in ihren Grundfesten erschüttert werden sollen.

Der NSU habe versucht, einem "widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten". Die Opfer seien nur wegen ihrer ausländischen Herkunft hingerichtet worden, weil sie in den Augen Zschäpes und ihrer beiden Komplizen in Deutschland nichts zu suchen gehabt hätten. Sämtliche Opfer seien "willkürlich herausgegriffen" worden.

Der NSU-Prozess zählt zu den umfangreichsten Gerichtsverfahren in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Diemer ging zu Beginn auch auf Kritik am Prozess ein. Es sei "unzutreffend, wenn immer noch kolportiert wird, der NSU-Prozess habe seine Aufgaben nur unzureichend erfüllt". Mögliche Fehler staatlicher Behörden aufzuklären, sei eine Aufgabe politischer Gremien.

Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verstrickung staatlicher Stellen seien im Ermittlungsverfahren nicht aufgetreten. "Anderes zu behaupten verunsichert die Opfer, verunsichert die Bevölkerung", sagte Diemer zu anhaltenden Spekulationen über ein über das NSU-Trio hinausgehendes rechtsextremes Netzwerk.

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