Süddeutsche Zeitung

Nordkorea und die USA:"Wie ein inkompetenter Bond-Fiesling"

Lesezeit: 3 min

Er baut Atombomben, veranstaltet Militärparaden, plant Kriege: Kim Jong Un präsentiert sich als gefährlicher Staatsführer. Doch in den USA nimmt Kims Kampftruppe kaum jemand ernst. Warum eigentlich nicht?

Der Mann herrscht über die fünftgrößte Armee der Welt, 1,2 Millionen Soldaten stehen unter seinem Kommando. Die Bevölkerung ist anscheinend so überzeugt von seiner Allmacht, dass sie ihm bedingungslos in einen Krieg folgen würde. Der Mann heißt Kim Jong Un, und er schickt seit Tagen neue Drohgebärden in Richtung Amerika, droht mit einem Atomangriff.

Wie reagiert Amerika? Erst schickte die Regierung von Barack Obama einige Kampfflugzeuge, dann Zerstörer. In offiziellen Stellungnahmen aber geht sie kaum auf Nachrichten aus Nordkorea ein. Statt eines Sondergesandten reiste vor wenigen Wochen Dennis Rodman nach Pjöngjang, ein ehemaliger Basketballprofi mit Hang zu extravaganten Frisuren. In den US-Medien erntete er dafür Spott.

Von einer "grotesken Tour" schrieb etwa das Politblog Think Progress. Rodman und das Milchgesicht, ein Witzfiguren-Duo. Auch für den Tumblr-Blog Kim Jong Un looking at things war das ein gefundenes Fressen. Seit seinem Amtsantritt sammelt das Blog Fotos des Diktators, kombiniert sie mit scherzhaften Kommentaren und ist zu einem der meistverlinkten Mini-Blogs der Welt geworden.

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Rodman nach Teheran gereist wäre. Iran gilt vielen Amerikanern als Feind Nummer eins. Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist ein Hassobjekt. Auch er droht Israel und Amerika, auch er arbeitet an einer Bombe. Im Gegensatz zu Kim wird er von den USA aber ernst genommen. 170 Mal erwähnte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel Iran in seiner jüngsten Rede vor dem Verteidigungsausschuss des Senats. Und das, obwohl sich das Land mit Kriegsrhetorik zuletzt zurückhielt. Nordkorea hingegen wird zehn Mal genannt.

Warum ist das so? Warum fürchten sich die Amerikaner vor den Iranern, reißen über die Nordkoreaner aber Witze? In einem lesenswerten Artikel geht das amerikanische Magazin The Atlantic dieser Frage nach. Nordkorea sei eine kleine Nation, deren Führer sich wie inkompetente Bösewichte aus James-Bond-Filmen verhalten würden, schreibt Autor Julian Hattem:

"North Korea is a relatively small nation with leaders who come across as stereotypically incompetent Bond villains: uniformly dressed, tasteless but expensive cliché obsessions, physically unintimidating, with every major attack blowing up in their face like Wile E. Coyote."

Außerdem komme im Verballhornen der Nordkoreaner Rassismus zum Ausdruck:

"They are also Asian, which connotes a whole set of racist stereotypes, none of them necessarily terror-inspiring. Iran, meanwhile, is a Muslim nation, and for obvious but unfortunate reasons it's easier to stoke public fears of Muslim fanaticism than Northeast Asian nationalism."

Iran werde in den USA auch deshalb als größere Gefahr wahrgenommen, weil die Amerikaner ein neues Wettrüsten unter den Nachbarstaaten im Nahen Osten befürchten:

"There's also the fear that Iranian development of a nuclear weapon would inspire Saudi Arabia and other countries in the neighborhood to seek one of their own. South Korea and Japan accept the United States' umbrella of protection as a safeguard against the North; countries in the Middle East are less willing to rely on us to protect them from Iran."

Nordkorea hingegen wirke bereits seit Jahren bedrohlich, habe aber seine Drohungen nie wahr gemacht. Wohl auch deshalb, weil es trotz aller Abgedrehtheit rationale Politik praktiziere:

"Unlike Iran, where leaders value religion more than the state, North Korea cares too much about its own survival to ever actually use its bomb."

Es ist ein Erklärungsversuch für ein Phänomen, das nicht nur die USA betrifft. Hattems Argumentation trifft in ähnlicher Form auch auf Europa zu.

Als nordkoreanische Archäologen im November verkündeten, eine Einhornhöhle gefunden zu haben, waren die Reaktionen auch auf dem alten Kontinent vernichtend. Wer glaubt schon so einen Unsinn? Später stellte sich heraus: Niemand. Nicht mal die Nordkoreaner. Es handelte sich wohl um einen Übersetzungsfehler.

Ähnliches ereignete sich bei der Fußballweltmeisterschaft vor drei Jahren. Nordkorea hatte 2:1 gegen Brasilien verloren. Im Netz aber kursierte ein Video, das angeblich einen Bericht des Staatsfernsehens zeigt. Darin schießen sich die Nordkoreaner glorreich zum Sieg.

Der Clip wurde auch in Deutschland zum Klickhit. Auch weil sich damit das Vorurteil vom arglosen Nordkoreaner bestätigen lässt, der von seiner skrupellosen Regierung veralbert wird. Mit der Realität hatte das nichts zu tun. Das Staatsfernsehen hat den gefälschten Bericht nie ausgestrahlt.

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