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Neue Parteichefin:Sie kämpft für ein vereinigtes Irland

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Als einzige Partei ist Sinn Féin im Norden und Süden Irlands aktiv. Ihre neue Vorsitzende Mary Lou McDonald möchte die Insel in Zeiten des Brexits wieder einen.

Von Björn Finke, London

Niemand kann der neuen Parteichefin vorwerfen, ihre Ziele zu verschleiern. Sie wolle Sinn Féin modernisieren, damit die Gruppe schlagkräftiger werde, sagte Mary Lou McDonald bei ihrer Antrittsrede am Samstag in Dublin. Sinn Féin solle Wahlen gewinnen, in der Republik Irland und in Nordirland mitregieren und "schließlich die Einheit Irlands erreichen". Eine Vereinigung des britischen Nordens mit dem Süden ist der Traum der nationalistischen Partei Sinn Féin - und der Albtraum von Protestanten in Nordirland sowie der Regierung in London. Wegen des Brexit wird nun aber wieder über die Zukunft Nordirlands debattiert.

Sinn Féin, früher der politische Arm der Terrorgruppe IRA, ist auf beiden Seiten der irischen Grenze aktiv. Im Norden ist die Partei zweitstärkste, im Süden drittstärkste Kraft im Parlament. Fast 35 Jahre lang führte Gerry Adams Sinn Féin, doch auf dem Ard Fheis - irisch für Parteitag - löste ihn am Wochenende die 48-jährige McDonald ab. Kritiker werfen dem Mann aus dem Norden, aus Belfast, vor, einst zur Führung der IRA gehört zu haben. Adams bestreitet das. Die IRA kämpfte für die Vereinigung mit dem Süden, unionistische Gruppen kämpften für den Verbleib im Königreich. Der Konflikt, verharmlosend Troubles genannt, kostete mehr als 3500 Menschen das Leben. Erst 1998 stellte das Karfreitagsabkommen einen manchmal fragilen Frieden her.

McDonald, die erste Frau an der Parteispitze seit 1950, dankte Adams für seine Beteiligung am Friedensprozess und dem Abkommen. Seit 2009 war die frühere Europa-Parlamentarierin seine Stellvertreterin, sie pries den 69-Jährigen jetzt als ihren "Mentor, einen inspirierenden Anführer, einen großartigen Freund". Die Mutter zweier Kinder mit den sehr irischen Namen Iseult und Gearóid hatte keinen Gegenkandidaten; die mehr als 2000 Delegierten wählten sie per Handzeichen.

Die Politikerin, die in Dublin und Limerick Englisch und Europawissenschaften studiert hat, stammt aus dem Süden, aus der irischen Hauptstadt, und war am Bürgerkrieg nicht beteiligt. Sie trat Sinn Féin erst 1998 bei, zum Abschluss des Friedensvertrags. Vorher war sie kurz Mitglied der konservativen Partei Fianna Fáil gewesen. Daher hoffen Parteistrategen, dass die Abgeordnete des irischen Parlaments Wähler für Sinn Féin gewinnen kann, die sich bisher von Adams und der IRA-Vergangenheit der Partei abgestoßen fühlen.

In Nordirland bildete die Partei zusammen mit der Protestantenpartei DUP bis 2017 die Regionalregierung. Das Friedensabkommen sieht vor, dass Katholiken und Protestanten die Provinz zusammen führen. Doch im vergangenen März wurde das Regionalparlament neu gewählt, und bisher können sich die Parteien nicht auf eine neue Koalition einigen. In der Republik Irland ist die Gruppe größte Oppositionspartei. Sie gewann Wählerstimmen mit ihrem Widerstand gegen die Sparprogramme der Regierung nach dem Bankenkollaps. Im Norden wie im Süden kämpft Sinn Féin dagegen, dass durch den Brexit wieder eine sichtbare Grenze auf der Insel entsteht. Nach dem Austritt der Briten verläuft dort die einzige Landgrenze zwischen EU und Königreich.

Sinn Féins Fraktion im nordirischen Parlament leitet Michelle O'Neill. Die 41-Jährige löste Martin McGuinness ab, einen IRA-Veteranen, der einer der Architekten des Karfreitagsabkommens war und im vorigen März starb. McDonalds Wahl am Wochenende macht den Generationswechsel bei der Partei nun komplett.

Die neue Sinn-Féin-Präsidentin war zwar an den Troubles nicht beteiligt, verteidigt aber den Kampf der IRA. Als der frühere IRA-Kommandeur Joe Cahill 2004 in Belfast beerdigt wurde, war sie eine der Sargträgerinnen. Ihre Begeisterung für die irisch-republikanische Sache hätten Fernsehberichte über Hungerstreiks von inhaftierten IRA-Mitgliedern geweckt, sagt McDonald. Damals war sie erst zwölf. 36 Jahre später steht sie an der Spitze dieser Bewegung.

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SZ vom 12.02.2018
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