Süddeutsche Zeitung

Russland:Mutter hat Nawalnys Leiche gesehen - Biden trifft Witwe und Tochter

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Nach tagelangem Warten darf Ljudmila Nawalnaja zu ihrem verstorbenen Sohn, bekommt den Körper aber nicht ausgehändigt, um ihn zu begraben. Den Behörden macht sie Vorwürfe. Biden trifft Nawalnys Frau und Tochter.

Die Mutter des im russischen Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny hat nach tagelangem Warten Zugang zu seiner Leiche erhalten. Sie habe den Körper ihres Sohnes in der Leichenhalle sehen dürfen, aber nicht ausgehändigt bekommen, teilte Ljudmila Nawalnaja in einem Video mit.

Der 47-Jährige war am Freitag vergangener Woche im Straflager gestorben. Seither hatte die Mutter die Leiche in der Region am Polarkreis gesucht. Sie forderte in dem Video erneut, dass ihr der Leichnam ausgehändigt werde, damit sie ihn beerdigen könne.

Nawalnaja warf dem Machtapparat vor, sie zu erpressen und ihren Sohn heimlich beerdigen zu wollen. "Sie stellen Bedingungen, wo, wann und wie ich Alexej beerdigen soll. Das ist gegen das Gesetz", sagte sie. Die Ermittler hätten gedroht, etwas mit der Leiche anzustellen, wenn sie einem heimlichen Begräbnis nicht zustimme. Deshalb habe sie sich an die Öffentlichkeit gewandt, weil die Angehörigen, aber auch die Anhänger die Möglichkeit haben sollten, sich von Nawalny zu verabschieden.

Nawalnys Mutter sagte auch, dass sie über den Abschluss der medizinischen Untersuchung informiert worden sei, auch über die Todesursache. Sie nannte diese aber nicht. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch schrieb bei auf der Online-Plattform X kurz nach Veröffentlichung des Videos der Mutter, dass die medizinische Expertise angeblich einen natürlichen Tod festgestellt habe. Dagegen werfen Nawalnys Frau Julia, sein Team und auch Menschenrechtler Kremlchef Wladimir Putin vor, er habe den Oppositionellen, der 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebte, ermorden lassen.

Sie habe 24 Stunden alleine mit Ermittlern und der Kriminalbeamten verbracht, sagte Nawalnys Mutter. Am Mittwochabend sei sie dann in die Leichenhalle in der Stadt Salechard im Norden Russlands gelassen worden. Ljudmila Nawalnaja äußerte sich nicht dazu, in welchem Zustand die Leiche ihres Sohnes war.

Biden trifft Nawalnys Frau und Tochter

US-Präsident Joe Biden traf sich mit Nawalnys Frau und Tochter in Kalifornien. Biden veröffentlichte am Donnerstag Bilder von dem Treffen mit Julija Nawalnaja und der 23 Jahre alten Tochter Darja auf der Plattform X. Auf einem der Bilder ist zu sehen, wie sich die drei miteinander unterhalten. Auf dem anderen Bild umarmt der US-Präsident die Frau Nawalnys. Biden schrieb dazu, er habe die beiden getroffen, um ihnen sein Beileid für ihren schweren Verlust auszudrücken. Nawalnys Vermächtnis werde durch die beiden und die "unzähligen Menschen in ganz Russland, die für Demokratie und Menschenrechte kämpfen, weiterleben".

Das Weiße Haus teilte mit, Biden habe bei dem Treffen auch seine Bewunderung für Nawalnys "außergewöhnlichen Mut" zum Ausdruck gebracht. Die USA wollen als Reaktion auf den Tod des russischen Oppositionspolitikers und auf den seit zwei Jahren andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine am Freitag neue Sanktionen gegen Russland bekannt geben.

Nawalnys Frau Julia veröffentlichte am Donnerstag ein gemeinsames Bild mit der trauernden 23 Jahre alten Tochter Darja. "Mein süßes kleines Mädchen. Ich bin ja zu dir geflogen, um dich zu umarmen und zu unterstützen, aber du sitzt da und unterstützt mich", schrieb Julia Nawalnaja in einem bei Instagram veröffentlichten Beitrag. "Du bist so stark, so mutig und standhaft. Wir werden mit allem fertig, mein Herz. Wie gut, dass du an meiner Seite bist. Ich liebe dich." Nawalny und seine Frau haben neben Darja auch einen 15 Jahre alten Sohn.

Darja Nawalnaja war in der Vergangenheit immer wieder auch mit politischen Forderungen nach Freilassung ihres inhaftierten Vaters in Erscheinung getreten und hatte etwa auch Reden zu seiner Ehrung bei Preisverleihungen gehalten. Sie studiert an der Universität Stanford in den USA.

Nawalnys Witwe war am Freitag nicht sofort zu den Kindern gereist, sondern hatte zunächst auf der Münchner Sicherheitskonferenz Kremlchef Wladimir Putin vor der Weltöffentlichkeit für das Schicksal ihres Mannes verantwortlich gemacht. Am Montag war sie zu Gast in Brüssel bei der Sitzung der EU-Außenminister und hatte auch ein Video mit einer Kampfansage an Putin veröffentlicht. Sie wolle die Arbeit ihres Mannes fortsetzen. Alexej Nawalny hatte Korruption im russischen Machtapparat angeprangert und Putin öffentlich als Mörder bezeichnet.

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