Süddeutsche Zeitung

Naturkatastrophe in Louisiana:Amerikaner entdecken den Flut-Wahlkampf

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Trump besucht die Überschwemmungsgebiete in Louisiana, Clinton nicht. Und Obama spielt Golf. Wer tut das Richtige?

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Unwahrscheinlich, dass Donald Trump schon einmal von " Leadership in Gummistiefeln" gehört hat. Dabei gibt Gerhard Schröders anpackender Elbe-Flut-Auftritt aus dem Jahr 2002, mit dem er seinen Herausforderer Edmund Stoiber " im Hochwasser versenkte", ein gutes Drehbuch für ein Wahlkampf-Comeback ab. Und das ist genau das, was die torkelnde Trump-Kampagne im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 gerade benötigt.

Doch natürlich ist es mit der Reise, die Trump und sein Vize-Kandidat Mike Penne am Freitag in die überfluteten Gegenden Louisianas unternehmen, nicht ganz so einfach. Was nicht nur daran liegt, dass der Milliardär wahrscheinlich alles besitzt, nur keine gelben Gummistiefel.

Das geht damit los, dass Louisianas Gouverneur John Bel Edwards - ein Demokrat - Trumps Besuch nicht gerade begeistert kommentiert. Entgegen der politischen Gepflogenheiten hatte ihn der Kandidat vorher auch nicht offiziell informiert. Er hoffe, dass die Visite keine reine "Foto-Gelegenheit" sei, lässt der Gouverneur durch einen Sprecher ausrichten. Wahlkampf-Übersetzung: Trumps Besuch ist eine reine Foto-Gelegenheit.

Schwarze Bezirke meidet der Kandidat

Dann wäre da die Tatsache, dass in der Gegend rund um das am schwersten betroffen Baton Rouge etwa die Hälfte der Bewohner Afroamerikaner sind. Einigen Umfragen zufolge wollen allerdings derzeit nur zwei Prozent der Schwarzen im November für Trump stimmen.

Der Kandidaten-Konvoi legt deshalb einen beachtlichen Slalom auf der Landkarte zurück und fährt nur Bezirke und Siedlungen an, in denen zwei Drittel der Bevölkerung weiß sind. Was wiederum zur Folge hat, dass Trumps Trost-Publikum so weiß wie das Publikum seiner Wahlkampf-Kundgebungen aussieht, ihm aber große Dankbarkeit entgegen bringt.

Neben betroffenen Schulen, verwüsteten Häusern und provisorischen Versorgungseinrichtungen besucht der Republikaner auch die Kirchengemeinde von Tony Perkins. Der evangelikale Prediger interpretierte Naturkatastrophen als göttlichen Zornesausbruch gegen Abtreibungen und Homosexuelle. Vergangene Woche musste er sein überflutetes Haus mit dem Kanu verlassen. Was auch immer das über Gottes Meinung zu Perkins' Theorie aussagt.

Natürlich wird der Kurztrip entsprechend der politischen Position des Betrachters einsortiert: Ein unangemessenes PR-Spektakel sei das, empören sich die Demokraten. Allerdings sind nicht wenige Bewohner Louisianas der Meinung, dass angesichts der größten Naturkatastrophe seit Hurrikan Sandy 2012 deutlich mehr nationale Aufmerksamkeit geboten wäre. Viele Medien behandeln die Flut als regionales Ereignis, Spenden aus dem Rest des Landes fallen geringer als erwartet aus. Wieder einmal ist im Süden davon die Rede, gegenüber den kulturell prägenden Küsten im Osten und Westen benachteiligt zu werden.

Die Republikaner, die das konservative Louisiana im Herbst sicher gewinnen werden, formen dies zu einer anti-elitären Botschaft: "Wo ist Hillary?", fragen sie in den sozialen Medien. Sie verweisen zudem wie Trump empört darauf, dass US-Präsident Obama derzeit noch auf der Promi-Insel Martha's Vineyard urlaubt und täglich gut gelaunt auf dem Golfplatz zu sehen ist - eine Kritik, die auch die örtliche Lokalzeitung Baton Rouges vorbringt.

Das wiederum ruft Louisianas Gouverneur Edwards auf den Plan, der von einem Präsidentenbesuch vorerst abrät, weil der Organisationsaufwand die Rettungs- und Aufräumarbeiten beeinträchtigen würde. Hilfsgelder habe das Weiße Haus ja bereits freigegeben.

Am Nachmittag dann wird bekannt, dass Obama am Dienstag doch in die Region reisen wird - was nun wie eine Reaktion auf dem Trump-Besuch wirkt. Und auch Hillary Clinton meldet sich ausführlicher als bislang zu Wort. Noch während der Trump-Konvoi unterwegs ist, berichtet sie auf Facebook von einem Telefonat mit dem Gouverneur. Sie bittet ihre Landsleute um Hilfe und schreibt, in Anspielung auf ihren Rivalen und zur Rechtfertigung ihres Fernbleibens: "Die Rettungsaktionen können jetzt keine Ablenkungen gebrauchen."

Kulisse für den Lagerwahlkampf

George W. Bushs Weigerung, 2005 nach Hurrikan Katrina sofort ins überflutete New Orleans zu reisen, kostete ihn damals einen Großteil seines politischen Kapitals. Die Flut von 2016 ist nicht vergleichbar, vor allem aber fungiert sie im Lagerwahlkampf nur noch als weitere Kulisse für den unwürdigen politischen Spaltungsprozess, in dem die Anhänger beider Parteien dem politischen Personal der Gegenseite die übelsten Vorsätze bescheinigen.

Unterdessen sickert erst langsam das ganze Ausmaß der Katastrophe in das nationale Bewusstsein durch: Mehr als 85.000 Bewohner der Region haben staatliche Unterstützung beantragt, 4000 von ihnen leben noch in Notunterkünften. Einer Schätzung der örtlichen Handelskammer zufolge sind 110 000 Häuser und Wohnungen von der Flut betroffen, der Schaden könnte sich auf mehr als 20 Milliarden US-Dollar belaufen.

Weil ein Großteil des Überschwemmungsgebiets weit weg von Flüssen wie dem Mississippi liegt, ist die überwiegende Mehrheit der Betroffenen nicht gegen Flutschäden versichert.

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