Süddeutsche Zeitung

Nato:Schub fürs Misstrauen

Sicherlich wollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nur die Partner aufschrecken und einer gemeinsamen europäischen Verteidigung einen Schub verleihen. Doch erreicht hat er mit seiner Äußerung, die Nato sei "hirntot", das genaue Gegenteil.

Von Daniel Brössler

Wenn es die Absicht des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewesen sein sollte, mit seinen drastischen Worten über die Nato vor allem die Deutschen aufzuschrecken, so ist ihm das gelungen. Macrons Befund, die Nato sei "hirntot", hat Kanzlerin, Außenminister und viele andere in Berlin alarmiert. Nicht, weil ihnen Macron irgendwelche Neuigkeiten eröffnet hätte. Sie alle wissen, was US-Präsident Donald Trump und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan in der Nato angerichtet haben. Größere Sorge bereitet ihnen, was Macron anzurichten gedenkt.

Nicht mehr zu verschleiern ist ein grundlegender strategischer Konflikt zwischen Paris und Berlin. Zwar setzen sich Franzosen wie Deutsche für stärkere Verteidigungsanstrengungen der Europäer und auch für mehr Zusammenarbeit ein. Doch Deutschland geht es dabei vor allem darum, durch stärkere europäische Anstrengungen die Amerikaner bei der Stange zu halten und die Zukunft der Nato zu sichern. Frankreich hingegen will, dass Europa sich auch ohne die USA verteidigen kann.

Sicherlich wollte Präsident Macron mit seinem Alarmruf der europäischen Verteidigung einen Schub verleihen. Erreicht aber hat er das Gegenteil - und das Misstrauen ihm gegenüber verstärkt. Auch in Berlin.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2019
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