Süddeutsche Zeitung

Nach Krawallen in England:Cameron setzt auf umfassende Härte

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Kampf gegen "pure Kriminalität": Premier Cameron behauptet, die Unruhen in London und anderen britischen Städten offenbare einen "moralischen Kollaps" und nicht etwa Armut. Die Regierung setzt auf Härte und Einsparungen - Polizei und Labour-Party widersprechen.

Am Sonntag hatte David Cameron den Randaliern in einem Zeitungsinterview eine "Null-Toleranz-Politik" angedroht, nun folgte eine Rede im gleichen Tenor: Der britische Premierminister will nach den Krawallen in England die "gebrochene Gesellschaft" reparieren und seine Regierungspolitik auf den Prüfstand stellen.

Die Ursache für einen Großteil der Krawalle sieht Cameron in "purer Kriminalität". Mit Rassismus hätten die Randale nichts zu tun, sagte er. "Diese Krawalle hatten nichts mit Sparmaßnahmen der Regierung zu tun." Das Problem dahinter sei auch nicht Armut.

Die Randalierer hätten "pure Gleichgültigkeit gegenüber richtig und falsch" gezeigt, sie hätten "verquere moralische Normen". Dagegen müsse mit Entschlossenheit vorgegangen werden.

Großbritannien sehe sich einem "moralischen Kollaps" gegenüber, sagte Cameron bei einer Ansprache in einem Jugendzentrum in Oxfordshire. Deshalb sollten unter anderem die Bildungs- und Gesundheitspolitik unter die Lupe genommen werden. Der Kampf gegen Bandenkriminalität müsse "nationale Priorität" werden, sagte Cameron.

Cameron bezeichnete die viertägigen Unruhen als Weckruf für das Land. "Soziale Probleme, die seit Jahrzehnten gären, sind vor unseren Augen explodiert", sagte er. Der Regierungschef machte dafür eine Kultur der Faulheit, der Verantwortungslosigkeit und des Egoismus verantwortlich. Nicht Spannungen zwischen Bürgern unterschiedlicher Herkunft, Armut oder das Sparprogramm der Regierung seien Ursache der Unruhen, sondern Kriminalität und fehlendes persönliches Verantwortungsgefühl. "Eine der größten Lehren aus diesen Unruhen ist, dass wir ernsthaft über Verhalten sprechen und dann handeln müssen - denn schlechtes Betragen ist buchstäblich an der Türschwelle der Menschen angekommen."

Zugleich erklärte Cameron, dass alle Gesellschaftsschichten einen Teil der Schuld trügen. "Moralischer Abstieg und schlechtes Benehmen ist nicht auf einige der ärmsten Teile unserer Gesellschaft beschränkt", sagte Cameron. "Wir müssen an das Beispiel denken, das wir abgeben."

Bereits am Wochenende hatte der Premier eine Taktik der "Null Toleranz" nach US-Vorbild gefordert und damit den Graben zwischen Politik und Polizei vergrößert. Hochrangige Polizeioffiziere und selbst Politiker der Regierungskoalition kritisierten Camerons neue Linie. Vor allem die Einschaltung des amerikanischen Ex-Polizeichefs Bill Bratton als Berater stieß auf teils heftige Kritik.

Opposition fordert tiefergehende Ursachenforschung

Oppositionsführer Ed Miliband von der sozialdemokratischen Labour-Partei warnte vor Schnellschüssen und forderte eine tiefergehende Untersuchung der Ursachen für die Gewalt. Cameron betonte erneut, die Kürzungen bei der Polizei würden wie geplant vorgenommen. Gespart werden müsse bei der Bürokratie. Die Zahl der Polizisten, die auf der Straße im Einsatz seien, bleibe weiterhin hoch genug.

Miliband forderte erneut eine tiefgreifende Untersuchung der Ursachen für die Krawalle. Armut und soziale Benachteiligung spielten bei den Geschehnissen der vergangenen Woche durchaus eine große Rolle. Cameron habe "Angst", den wahren Gründen für den sozialen Zusammenbruch ins Gesicht zu sehen. "Der übliche politische Instinkt - eine Menge neuer Gesetzte ankündigen, einen neuen Berater anstellen, ein paar alte Vorurteile und seichte Antworten hervorholen - wird das Bedürfnis der Öffentlichkeit nicht befriedigen", sagte Miliband.

Derweil ging die polizeiliche Aufarbeitung der Krawalle weiter. Die Zahl der in Schnellverfahren vor Gericht geführten Randalierer nahm weiter zu. Insgesamt wurden bislang mehr als 2700 Menschen festgenommen. Bei den Unruhen, die am vorvergangenen Samstag in London ausgebrochen waren und sich von dort auf mehrere englische Städte ausgebreitet hatten, waren fünf Menschen ums Leben gekommen. Durch Feuer, Plünderungen und Gewalt entstand Millionenschaden.

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