Süddeutsche Zeitung

Muslime in Deutschland:Innenminister Friedrich gibt den Scharfmacher

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Hans-Peter Friedrich tut seit Amtsantritt alles dafür, den Dialog mit den islamischen Verbänden zu erschweren. Dabei ist die jüngste Integrationsstudie selbst nicht einmal das Problem. Es ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung, der verdächtig wirkt. Und wenn ein Boulevardblatt über eine solch brisante Studie exklusiv berichten darf, ist eine nüchterne Debatte nicht möglich.

Roland Preuß

Die Beziehung zwischen Hans-Peter Friedrich und Deutschlands Muslimen war von Anfang an alles andere als herzlich. Vor einem Jahr widersprach der Innenminister dem Satz von Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland - und zog damit gleich bei Amtsantritt harsche Kritik auf sich. Seither schleppt er das Thema mit sich herum wie einen unerledigten Aktenberg.

Als er die Islamkonferenz seines Hauses zum Sicherheitstreffen umbauen wollte, revanchierten sich die Muslimvertreter mit einem Aufstand bei der Pressekonferenz. Friedrich ließ sich damals nicht auf einen Schlagabtausch ein, er ist eigentlich kein Scharfmacher. Nun aber hat der oft so besonnen auftretende Herr Minister mit einer Studie zurückgeschlagen - und gefährdet damit den Dialog mit den Muslimen.

Das Hauptproblem ist nicht das Gutachten selbst, welches sein Ministerium am Donnerstag vorgelegt hat. Wenn die Forscher dreier Universitäten unter anderem zu dem Ergebnis kommen, dass jeder vierte junge Muslim ohne deutschen Pass sich nicht integrieren will, den Westen verabscheut und Gewalt mitunter als Mittel akzeptiert, so muss man dies zunächst einmal ernst nehmen; bei aller Kritik an der Methode der Studie.

Und auch Friedrichs Kritiker sollten die Befunde nicht als politische Auftragsarbeit oder als Islamisierung des Problems vom Tisch wischen. Es gibt nun mal die Flucht junger Migranten in den Islamismus, und diese Flucht ist gefährlich.

Verdächtig ist allerdings der Zeitpunkt, zu dem die Studie veröffentlicht wird. Kaum ist die Gedenkstunde zu den Morden der Zwickauer Terrorgruppe vorüber, kaum hat wegen dieser Taten eine Debatte über Rassismus begonnen, so wird nun das Thema "Mangelnder Wille zur Integration" in die Runde geworfen. Hier will jemand wieder in die Offensive kommen.

Beitrag zur Krawallzeile

Zwar können die Morde von Neonazis nicht dazu führen, dass eine Radikalisierung junger Zuwanderer ignoriert wird. Doch wenn wieder einmal Muslime und Migranten in Gefahr sind, in ihrer Gesamtheit an den Pranger zu geraten, müsste der Innenminister eigentlich als Mahner dazwischengehen. Auch das wäre sein Job.

Vor dieser Aufgabe jedoch hat Friedrich versagt. Wer eine solch brisante Studie exklusiv an die Bild-Zeitung weiterreicht, damit die ihre tägliche Krawallzeile hat (wie dies offenbar geschehen ist), der setzt nicht auf eine nüchterne Debatte über bessere Integration und Sicherheit.

Wäre es dem Minister darum gegangen, hätte er die Studie zum Beispiel auf dem Islamgipfel im April gemeinsam mit den Muslimen bewerten und Schlussfolgerungen ziehen können. Nun wird vor allem eine Negativauswahl wahrgenommen, nämlich jene Ergebnisse aus der Studie, was alles angeblich nicht gut läuft.

Der Minister zertrümmert so das Restvertrauen zwischen ihm und den islamischen Verbänden. Er hätte besser mal eine Forderung seiner Wissenschaftler beherzigt: "Populistische Verkürzungen vermeiden!", schreiben sie.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2012
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