Süddeutsche Zeitung

Militärparade in Russland:Putin lässt die Muskeln spielen

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Die Parade zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitler nutzt Putin als Bühne. Im Mittelpunkt stehen nicht die Veteranen, sondern die militärische Stärke von heute - und die Kritik am Westen: Das Bündnis von einst, das Nazi-Deutschland besiegte, trage nicht mehr, sagt Putin - was an Washington liege.

Von Julian Hans

Als Wladimir Putin zu Fuß über den Roten Platz auf die Ehrentribüne zugeht, wartet der amerikanische Präsident schon. Die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten stehen auf und applaudieren. Putin schüttelt Hände. Als sich alle gesetzt haben, legt er freundschaftlich seine Hand auf den Arm des Amerikaners zu seiner Linken. Auch George Bushs Vater hat in diesem Krieg gegen Hitler-Deutschland gekämpft.

Das war vor zehn Jahren, am 60. Jahrestag des Sieges. Heute, am 70., wirken diese Bilder wie aus einer lange vergangenen Ära.

Keiner der Alliierten von damals sitzt neben Putin auf der Tribüne. Kein Chef eines G8-Staates möchte sich die schwarz-orange-farbene Sankt-Georg-Schleife an die Brust heften, die vor zehn Jahren erstmals als Symbol des Gedenkens an die Veteranen getragen wurde - und die heute zum Erkennungszeichen der von Russland unterstützten Separatisten gemacht wurde, die den Osten der Ukraine terrorisieren. Niemand will dabei sein, wenn Buk-Luftabwehrraketen über den Roten Platz fahren, von denen eine vor einem Jahr die Passagiermaschine der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord traf.

Gekommen sind stattdessen die Führer Kasachstans und Kubas, von Abchasien, Südossetien, Armenien und Vietnam. Wichtigster Gast ist Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Eine Koalition, die nicht der gemeinsame Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland in der Vergangenheit verbindet, sondern die Gegnerschaft zum Westen und seiner Vormacht USA heute. Im Mittelpunkt der Feier stehen nicht mehr die Veteranen, sondern die militärische Stärke. Verteidigungsminister Sergej Schojgu schickt mehr Soldaten, mehr Panzer, Raketen, Bomber und Kampfflugzeuge über den Roten Platz als je zuvor.

Und Putin nutzt seine Ansprache, um noch einmal deutlich zu machen, dass er eine andere Weltordnung will. Er erinnert an das Treffen von Amerikanern und Roter Armee an der Elbe, würdigt den Beitrag von Amerikanern, Briten und Franzosen. Dass dieses Bündnis nicht mehr trägt, liegt in seinen Augen an Washington. Nach dem Krieg seien die Vereinten Nationen gegründet worden, um künftige Konflikte vorzubeugen. Doch in den vergangenen Jahrzehnten seien die Prinzipien der internationalen Zusammenarbeit immer öfter ignoriert worden. "Es gab Versuche, eine unipolare Weltordnung zu errichten, das Blockdenken kehrt zurück."

So ist die Wahrnehmung in Moskau. Und international ist Putin nun der unumstrittene Führer einer Koalition gegen die amerikanische Übermacht. Ein Führer, der am Samstag in Moskau seine Muskeln spielen ließ.

Das aufgeklärte Europa habe damals die tödliche Gefahr nicht rechtzeitig erkannt. Das hat Putin auch gesagt. Den Frieden in Europa haben im vergangenen Jahr seine Waffen zerstört.

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