Süddeutsche Zeitung

Migration:Leblos im Grenzfluss

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Von Alan Cassidy, Washington

Nach gerade zwei Monaten im Amt hat John Sanders, der kommissarische Chef der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP, seinen Rücktritt angekündigt. Er werde seinen Posten am 5. Juli abgeben, schrieb Sanders in einem Brief an seine Mitarbeiter. Gründe für seinen Schritt nannte er darin nicht, doch die Ankündigung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem die Behörde in die Kritik geraten ist wegen der Zustände in einem ihrer Auffanglager, das sie an der Grenze zu Mexiko für minderjährige Migranten betreibt.

Nachdem Anwälte und Ärzte publik gemacht hatten, dass die Kinder dort unter miserablen hygienischen Bedingungen untergebracht waren, wurden rund 250 Kinder in andere Zentren verlegt. Rund hundert von ihnen mussten jedoch in der Zwischenzeit wieder in das Lager im texanischen Clint zurückkehren.

Sanders hatte den Posten im April angetreten, nachdem der bisherige Chef Kevin McAleenan die Leitung des US-Heimatschutzministeriums übernommen hatte. Als Nachfolger für Sanders hat US-Präsident Donald Trump laut einem Bericht der Washington Post Mark Morgan auserkoren, den amtierenden Chef der Einwanderungsbehörde ICE.

Er sagte am Dienstag dem Sender CBS News, er glaube nicht, dass es ein "systemisches Problem" in den Aufnahmeeinrichtungen des Grenzschutzes gebe, doch es gebe "definitiv Verbesserungsbedarf". Seit September des vergangenen Jahres sind sieben minderjährige Migranten in der Obhut der US-Einwanderungsbehörden gestorben.

Fotos zeigen, wie Vater und Tochter mit dem Gesicht nach unten im Wasser treiben

Verstörung rief in den USA auch der Fall eines Flüchtlings aus El Salvador hervor, der mit seiner 23 Monate alten Tochter im Grenzfluss Rio Grande ertrunken war. Fotos, die zuerst in einer mexikanischen Zeitung veröffentlicht wurden, zeigen die beiden, wie sie leblos mit dem Gesicht nach unten im Wasser treiben. Laut mexikanischen Gerichtsunterlagen hatte der Vater am Sonntag versucht, den Fluss von der mexikanischen Seite aus zu überqueren.

Der Vater hatte laut der Zeitung La Jornada seine Tochter am Flussufer auf der US-Seite abgesetzt, um seine Frau nachzuholen. Die Tochter sei dann ins Wasser zurückgeeilt, um dem Vater zu folgen. Dabei habe die Strömung die beiden weggerissen. Die beiden Leichname wurden am Montag in Matamoros im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas gefunden.

Auch in den US-Medien wurden die Bilder verbreitet und heftig diskutiert. Sie erinnern an das Foto des dreijährigen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi, dessen Leiche im Sommer 2015 an der türkischen Küste gefunden wurde und weltweit Entsetzen hervorrief.

Im vergangenen Jahr kamen 283 Migranten beim Versuch des illegalen Grenzübertritts ums Leben, entweder im Grenzfluss Rio Grande oder in der Wüste. Um der Krise an der US-Südgrenze zu begegnen, laufen im Kongress derzeit Bemühungen, ein Migrationspaket zu verabschieden, mit dem die Einwanderungsbehörden mehr Geld erhalten sollen. Das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus bewilligte dafür am Dienstagabend 4,5 Milliarden Dollar.

Vertreter des linken Parteiflügels hatten sich zunächst geweigert, dem Paket zuzustimmen, weil sie nicht einverstanden waren mit der Verwendung der Mittel. Der nun verabschiedete Entwurf sieht vor, die Grenzschutzbehörde zu neuen Gesundheits- und Sicherheitsstandards für Migranten unter ihrer Obhut zu verpflichten. Außerdem soll die Aufsicht über die Zentren der Behörde verstärkt werden.

Ob das Gesetz durchkommt, ist nicht klar. Der von den Republikanern dominierte Senat verabschiedete am Mittwoch ein eigenes Migrationspaket, das andere Akzente setzt. Beide Kongresskammern müssen in diesen Tagen einen Kompromiss finden. Ohne eine Einigung gehen bestimmten Zentren, in denen derzeit Kinder untergebracht werden, Ende des Monats die Gelder aus.

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SZ vom 27.06.2019
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