Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:Merkel: "2020 ist nicht 2015"

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Von Karoline Meta Beisel, Brüssel, Constanze von Bullion und Nico Fried, Berlin, Berlin/Brüssel

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist Befürchtungen in den Unionsparteien entgegengetreten, der Andrang von Migranten an der türkisch-griechischen Grenze könne erneut zu einer sehr hohen Zahl Geflüchteter in Deutschland führen. "2020 ist nicht 2015", sagte Merkel am Montag bei einem deutsch-griechischen Wirtschaftsforum in Berlin. Die Bürger könnten erwarten, dass die Politik es schaffe, Flucht und Migration zu ordnen, zu steuern und zu verringern. Mit diesem Ziel habe sie in den vergangenen fünf Jahren viele Gespräche geführt und führe sie auch in der aktuellen Situation, sagte die Kanzlerin.

Merkel nannte das Vorgehen der Türkei an der europäischen Außengrenze in Griechenland "inakzeptabel". Griechenland nehme eine "große Verantwortung" für ganz Europa wahr und verdiene volle Solidarität und volle Unterstützung. In diesem Zusammenhang erwähnte die Kanzlerin auch den nach langem Ringen gefassten Beschluss von Union und SPD aus der Nacht zu Montag, in einer europäischen "Koalition der Willigen" Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern nach Deutschland zu holen.

Allen Bedenken in der Union zum Trotz begrüßte auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dieses Vorhaben: "Ich bin zuversichtlich, dass wir zusammen mit weiteren EU-Staaten jetzt eine sehr vernünftige Lösung zustande bringen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Vor allem kranke und alleinreisende Kinder müssten nun aus desolaten griechischen Camps geholt werden, die jüngeren zusammen mit Angehörigen. "Wenn viele der Kinder in den griechischen Flüchtlingslagern fünf oder sieben Jahre alt sind, können wir sie natürlich nicht von ihren Eltern trennen", sagte Seehofer. "Das ist doch selbstverständlich." Die Entscheidung, welche Kinder Vorrang hätten, müsse gemeinsam mit Griechenland getroffen werden.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis forderte in Berlin einen Kurswechsel der Türkei in der Migrationspolitik. Griechenland und die EU ließen sich nicht "erpressen". Mitsotakis sprach von einem "kritischen" Zeitpunkt für Griechenland und Europa. In Brüssel kamen am Abend der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen, um über die Zukunft des EU-Türkei-Abkommens zu sprechen. Das Treffen sei "konstruktiv" gewesen, sagte von der Leyen im Anschluss. In den nächsten Tagen sollen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu gemeinsam mit einem Team von Fachleuten klären, welche Teile des Abkommens nicht umgesetzt wurden und warum. "Migranten brauchen Unterstützung, Griechenland braucht Unterstützung, aber die Türkei braucht auch Unterstützung", darum sei es wichtig, für die Zukunft einen gemeinsamen Weg zu finden, sagte von der Leyen. In der Vereinbarung aus dem Jahr 2016 hatte sich die Türkei verpflichtet, illegale Migration in die EU zu verhindern; die EU-Mitgliedstaaten hatten im Gegenzug Finanzhilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro zugesagt.

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SZ vom 10.03.2020
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