Süddeutsche Zeitung

Madrid:200.000 Menschen protestieren gegen Freilassung von Eta-Terroristen

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Der Menschenrechtsgerichtshof hat entschieden: Spanien muss Dutzende frühere Eta-Terroristen aus der Haft entlassen. Das treibt Zehntausende Menschen in Madrid auf die Straße. Sie sagen, sie wollen keine Rache - fordern aber den endgültigen Sieg über die Terroristen.

Sie rufen nach Gerchtigkeit und wollen das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg nicht anerkennen: Zehntausende Menschen haben in Madrid gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) protestiert, nach dem Spanien Dutzende von inhaftierten Terroristen der Untergrundbewegung Eta auf freien Fuß setzen muss. An der Kundgebung auf der Plaza de Colón im Zentrum der spanischen Hauptstadt nahmen am Sonntag nach Angaben der Organisatoren von der "Vereinigung der Opfer des Terrorismus" (AVT) etwa 200.000 Menschen teil - darunter auch ranghohe Politiker der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy.

"Wir wollen nur Gerechtigkeit, keine Rache. Aber man macht sich über uns lustig. Unser Klageschrei muss bis nach Straßburg (dem Sitz des EGMR, Anm. d. Redaktion) durchdringen", sagte AVT-Präsidentin Ángeles Pedraza während ihrer Rede. Sie sprach den Verdacht aus, man wolle "die Opfer zum Schweigen bringen" und damit einen Trumpf bei den Verhandlungen mit Eta haben. "Aber wir werden nicht schweigen bis die Terroristen endgültig, komplett und total besiegt sind", rief Pedraza.

Nach dem jüngsten Urteil des EGMR muss die spanische Justiz möglicherweise bald mehr als 60 Eta-Terroristen und Schwerverbrecher aus der Haft entlassen, weil ihre Haft nachträglich verlängert wurde. Der EGMR hatte den spanischen Umgang mit Eta-Terroristen für illegal erklärt und die Haftverlängerung untersagt. Gegen das Urteil ist keine Berufung möglich. Die Mitgliedsstaaten der Konvention sind verpflichtet, die Urteile zu befolgen. Auch Rajoy hatte das Urteil als "falsch" und "ungerecht" .

Spaniens Justiz will Dutzende weitere Fälle analysieren

In den vergangenen Tagen waren bereits zwei Eta-Terroristen freigelassen worden. Als erste war Inés del Río am Dienstag auf Anordnung des Nationalen Gerichtshofs aus der Haft in La Coruña entlassen worden. Die heute 55-Jährige hatte einer Terrorzelle der Eta in Madrid angehört, die in den 1980er Jahren die Bewohner der spanischen Hauptstadt mit einer Serie blutiger Anschläge in Angst und Schrecken versetzt hatte. Sie war wegen 23 Morden zu mehr als 3800 Jahren Haft verurteilt worden.

Nach Verbüßung der Höchstzeit von 30 Jahren und unter Berücksichtigung von Vergünstigungen hätte del Río schon 2008 freigelassen werden sollen. Ihre Entlassung wurde damals jedoch nach einer 2006 geänderten Verwaltungspraxis, der sogenannten Parot-Doktrin, auf 2017 verschoben. Diese nachträgliche Änderung ist nach Ansicht des EGMR ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention.

Nach del Río wurde am Freitag auch der Eta-Angehörige José Manuel Piriz in Algeciras freigelassen. Im Rahmen der Aufhebung der Parot-Doktrin verließ auch ein Serienvergewaltiger das Gefängnis. Der Nationale Gerichtshof teilte mit, man werde ab dem 8. November jeden Freitag Dutzende Fälle analysieren.

Medien schätzen, dass etwa 60 Eta-Terroristen und Schwerverbrecher in nächster Zeit freigelassen werden müssten und 76 weitere in den kommenden Jahren.

Die Eta wurde 1959 als Widerstandsbewegung gegen die Franco-Diktatur gegründet und bekämpfte den spanischen Staat auch nach der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1975 mit dem Ziel eines unabhängigen Staates im Baskenland weiter. Bei Eta-Anschlägen wurden insgesamt mehr als 800 Menschen getötet.

Im Oktober 2011 hatte die Organisation die "definitive Beendigung" ihres bewaffneten Kampfes verkündet. Allerdings gab sie bisher weder die Waffen ab noch löste sie ihre Strukturen im Untergrund auf. Madrid behauptet, Eta befinde sich in der "Endphase".

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