Süddeutsche Zeitung

London:Showdown beim Brexit

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In der historischen Debatte kämpft Premierministerin May bis zuletzt um Zustimmung für das EU-Austrittsabkommen. Doch viele Parlamentarier verweigern ihr die Gefolgschaft.

Von Björn Finke, London

Die britische Premierministerin Theresa May ist am Dienstagabend auf eine historische Niederlage im Parlament zugesteuert. Die Abgeordneten sollten nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe über den Brexit-Vertrag abstimmen, auf den sich London und Brüssel geeinigt haben. In gut zehn Wochen, am 29. März, sollen die Briten nach bisheriger Planung aus der EU austreten - nach 46 Jahren. Das Abkommen soll eine geordnete Trennung sicherstellen. Allerdings wurde erwartet, dass viele Parlamentarier von Mays Konservativen gegen den Vertrag stimmen. Gleiches gilt für die nordirische Partei DUP, auf deren Unterstützung die Premierministerin angewiesen ist. Eine Ablehnung würde das Risiko eines chaotischen Brexit erhöhen.

Denn ohne gültigen Vertrag fiele die vereinbarte Übergangsphase weg, in der sich für Bürger und Firmen nicht viel ändern soll. Stattdessen würden sofort Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Doch die Häfen im Königreich und am Festland sind nicht auf Zollkontrollen vorbereitet, weswegen Chaos und Staus drohen. Der stete Nachschub für Supermärkte und Fabriken wäre gefährdet. Unternehmerverbände warnen seit Wochen eindringlich vor den Folgen eines Austritts ohne Abkommen.

May warb am Dienstagabend am Ende einer langen, teilweise hitzigen Debatte im Parlament für das Abkommen. Sie sagte, der Vertrag schaffe Planungssicherheit für die Wirtschaft und erfülle zugleich die Versprechen der Brexit-Kampagne. Das Parlament stehe vor einer historischen Entscheidung, sagte sie: "Das ist für jeden von uns die wichtigste Abstimmung unserer politischen Laufbahn." Die Alternativen zum Vertrag - ein ungeregelter Austritt, ein zweites Referendum oder Neuwahlen - würden nur Unsicherheit und Probleme bringen.

Der nordirischen Partei DUP und den Brexit-begeisterten Rebellen bei den Konservativen missfällt vor allem der sogenannte Backstop im Austrittsvertrag. Diese Auffanglösung soll verhindern, dass jemals Zollkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland nötig sein werden. Die Brexit-Vorkämpfer befürchten, dass diese Klausel das Königreich auf Dauer in einer engen Bindung an die EU gefangen halten könnte.

Um May zu helfen, hatte die EU kurz vor der Abstimmung in einem Brief versichert, dass die Union das nicht anstrebe. Die Debatte am Dienstag zeigte aber, dass die Kritiker nicht überzeugt sind - und wie tief die Spaltung bei den Konservativen ist. Der frühere Brexit-Minister Dominic Raab, der aus Protest gegen Mays Kurs zurückgetreten war, nannte den Vertrag das "schlimmstmögliche Risiko" für Wirtschaft und Demokratie im Königreich.

Jeremy Corbyn, Chef der größten Oppositionspartei Labour, kündigte an, im Falle einer Niederlage von May ein Misstrauensvotum zu beantragen. Darüber könnten die Abgeordneten bereits an diesem Mittwoch abstimmen. Bei einem Sieg der Opposition käme es zu Neuwahlen. Doch gilt ein Erfolg des Antrags als unwahrscheinlich.

Es wurde erwartet, dass sich May nach einer Niederlage rasch zum weiteren Vorgehen äußern wird. Sie könnte etwa die EU um weitere Zugeständnisse oder eine Verschiebung des Austritts bitten.

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SZ vom 16.01.2019
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