Süddeutsche Zeitung

Lobbyreport 2013:Schwarz-gelbe Lobbyfreunde

Lesezeit: 2 min

Staatsminister werden Cheflobbyisten, Abgeordnete arbeiten nebenher gegen viel Geld für Ärzteverbände - und können sich straffrei bestechen lassen. Das Urteil der Aktivisten von Lobbycontrol steht nach vier Jahren Schwarz-Gelb fest.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Ist Grünen-Politiker Hans-Josef Fell womöglich einer der übelsten Lobbyisten mit Mandat, die derzeit im Bundestag herumlaufen? Die Liste der Unternehmen, Verbände und Vereine, für die er unterwegs ist, umfasst 15 Positionen, von der Umweltbank bis zum Bundesverband Pflanzenöle.

Wer aus der schwarz-gelben Koalition darauf hinweisen will, dass es Lobbyisten zum Beispiel auch unter Grünen gebe, der verweist gerne auf den Umweltpolitiker Fell. Doch es gibt eben diesen kleinen und nach Ansicht der Organisation Lobbycontrol erheblichen Unterschied: Fell ist neben seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter ausschließlich ehrenamtlich für andere tätig.

Lobbycontrol hat nun seinen Bericht für die Wahlperiode 2009 bis 2013 vorgestellt ( PDF). Das Urteil über die schwarz-gelbe Bundesregierung fällt vernichtend aus. Unter Union und FDP gelte "freie Fahrt für Lobbyisten, während die Ampel für Demokratie und Transparenz auf Rot steht", sagt Geschäftsführer Ulrich Müller in Berlin.

Und um mal den Unterschied zu Fell deutlich zu machen, nennt Müllers Kollege Timo Lange den FDP-Politiker Lars Lindemann. Der sitzt im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Zugleich aber ist der Jurist Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der Fachärzte in Deutschland. Dafür bekommt er reichlich Geld. Nach den Transparenzrichtlinien des Bundestags monatlich Stufe zwei, also irgendetwas zwischen 3500 und 7000 Euro. Und das Monat für Monat. Lars Lindemann steht aus Sicht von Lobbycontrol symptomatisch für die Politik der schwarz-geben Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren.

Mehr als nur Nebeneinkünfte

Die Kritikpunkte gehen über Nebeneinkünfte weit hinaus: Nach wie vor gebe es keine Karenzzeiten für Politiker, die in die freie Wirtschaft wechseln. Trotz der Debatten um Altkanzler Gerhard Schröder, der sich seit dem Ende seiner Amtszeit gegen ein gewisses Entgelt für ein deutsch-russisches Gaskonsortium starkmacht - und heute selbst an SPD-Stammtischen inzwischen "Gerdgas" genannt wird.

Der Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden, etwa hat jetzt als Cheflobbyist beim Daimler-Konzern angeheuert. Schon die Tatsache, dass der CDU-Politiker offenbar noch während seiner Amtszeit Gehaltsverhandlungen mit Daimler geführt hat, wirft Fragen nach Klaedens Unabhängigkeit auf. Die er damit beantwortet, dass er einfach bis zur Bundestagswahl im Kanzleramt hocken bleibt. "Hier einen Interessenkonflikt auszuschließen, ist geradezu absurd", findet Christina Deckwirth, Ko-Autorin des Lobbyreports 2013. Ginge es nach Lobbycontrol, dann sollten Spitzenpolitiker mindestens drei Jahre warten, bis sie einen bezahlten Lobbyjob annehmen.

Die restliche Bilanz: kein Fortschritt in Sachen Verbot der Abgeordnetenbestechung. "Schwarz-Gelb blockiert", sagt Geschäftsführer Ulrich Müller. Seit zehn Jahren kann deshalb die UN-Konvention gegen Abgeordnetenbestechung nicht ratifiziert werden. Die rot-grüne Vorvorgängerregierung habe die Konvention wenigstens unterzeichnet, sagt Müller. Danach hätten Union und FDP alles getan, die Umsetzung zu verhindern.

Harscher Vorwurf: Schwarz-Gelb streitet Probleme ab

Zudem gebe es nach wie vor kein verpflichtendes Lobbyregister. Nur Verbände würden seit 1972 unverändert vom Bundestag freiwillig registriert. Verdeckte Lobbyisten oder jene, die im direkten Auftrag von Unternehmen arbeiten, würden damit nicht erfasst. Alle Oppositionsparteien seien inzwischen für ein verpflichtendes Lobbyregister. "Schwarz-Gelb aber bestreitet, dass es überhaupt ein Problem gibt", bemängelt Timo Lange.

Keinerlei Bewegung sehen die Aktivisten auch, wenn es um mehr Transparenz in den Parteifinanzen geht. Zwar müssten jetzt Spenden ab 50.001 Euro unverzüglich angegeben werden. Doch lasse sich das einfach umgehen, erklärt Deckwirth. Wer heute 50.000 Euro spende und morgen abermals dieselbe Summe, dessen Spende werde erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung veröffentlicht.

Allein in der Frage der Nebeneinkünfte von Abgeordneten habe es mit der Affäre um die Vortragshonorare des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück etwas Veränderung gegeben. Nach der Wahl wird es mehr Einkommensstufen geben, die einen genaueren Blick auf die Nebeneinkünfte von Abgeordneten ermöglichen. Lobbycontrol begrüßt das.

Gewünscht aber hätten sich die Aktivisten, die Nebeneinnahmen auf Euro und Cent genau nachlesen zu können. Doch auch da: Schwarz-Gelb will das einfach nicht.

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