Süddeutsche Zeitung

Liechtenstein:Finanzkrimi im Fürstentum

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Von Uwe Ritzer

29 Sängerinnen und Sänger traten zum Wettbewerb an, am Ende gewann Rahel Oehri-Malin. "Da khör i hi" heißt ihr heimeliger Schlager, den die Hörer des landesweiten Radiosenders zum offiziellen "Liechtenstein-Song" kürten. Schließlich will ein Jubiläum auch besungen werden. Das ganze Jahr über feiert das kleine, aber reiche Fürstentum südlich des Bodensees seinen 300. Geburtstag, nicht nur mit Gesang, sondern auch mit Ausstellungen, Vorträgen und Volksfesten. Glanzvoller Höhepunkt soll der Staatsfeiertag am 15. August werden, wenn die Fürstenfamilie auf ihrem Schloss Vaduz Hof hält. Doch die Feierstimmung ist getrübt. Eine politische Krise schüttelt die Mini-Monarchie durch.

Anfang Juli entzogen der Landtag und das Herrscherhaus Außen-, Justiz- und Kulturministerin Aurelia Frick, 43, das Vertrauen und setzten sie kurzerhand ab. Es war der bisherige Höhepunkt eines Finanzkrimis um die Ministerin, der Verschwendung und anrüchige Ausgaben vorgeworfen werden, was sie allerdings bestreitet. In der Folge müssen nun aber auch alle anderen Regierungsmitglieder und die 25 Liechtensteiner Parlamentarier um ihre Posten bangen. Denn eine Gruppe von Bürgern plant eine Initiative, wie es sie seit 91 Jahren in dem Staat mit 38 000 Einwohnern nicht mehr gegeben hat: Sie wollen den Landtag per Volksentscheid auflösen und Neuwahlen durchsetzen. Ihr Ziel sei "eine tief greifende Veränderung der politischen Kultur" in Liechtenstein. Die Politiker, so sagen die Initiatoren, hätten das Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung verspielt und fordern einen "respektvolleren Umgang".

Manche Liechtensteiner vergleichen die Causa Frick mit der Art und Weise, wie in Deutschland jüngst mit SPD-Chefin Andrea Nahles oder mit Valerie Holsboer im Vorstand bei der Bundesagentur für Arbeit umgegangen wurde. Dabei stand Aurelia Frick allein mit ihrer Vita und ihrem Auftreten auf internationalem Parkett für ein weiblicheres, moderneres Liechtenstein. Als die promovierte Juristin vor zehn Jahren zur Regierungsrätin, also Ministerin, für Außen, Justiz und Kultur bestellt wurde, war sie mit 33 Jahren noch außerordentlich jung. Eine Quereinsteigerin mit Pilotenschein und einem Faible für farbige Mode, was gerne auch öffentlich thematisiert wurde.

Während ihrer Amtszeit heiratete sie und bekam zwei Kinder. Ob bei Treffen mit den Obamas, vor der Uno oder auf der Münchner Sicherheitskonferenz - überall repräsentierte Aurelia Frick ihr kleines Land selbstsicher und eloquent. Zu Hause allerdings eskalierte im Lauf dieses Jahres, was die Medien im Fürstentum die "Berater-Affäre" nennen. Es geht dabei um üppige Spesen, Reisekosten und Beraterhonorare. Nachdem die Ministerin und ihr Haus die vom Parlament bewilligten Budgets mehrfach kräftig und in einem Fall um mehr als 40 Prozent überschritten hatten, forderte der zuständige Kontrollausschuss GPK des Landtages die den Ausgaben zugrunde liegenden Rechnungen und Belege zur Prüfung an.

Es folgte ein monatelanges Hickhack, in dem Frick nach Ansicht von Kritikern zu viel Selbstgewissheit und auch Überheblichkeit an den Tag legte. Mal verweigerte sie die Herausgabe der Unterlagen wegen angeblicher Persönlichkeitsrechte der Rechnungssteller, dann rückte sie wiederum geschwärzte Namenslisten heraus, schließlich stellte sich heraus, dass relevante Dokumente vernichtet worden waren. Was die parlamentarischen Rechnungsprüfer zu sehen bekamen, erregte indes ihr Misstrauen noch mehr: Rechnungen, bei denen vielfach nicht ersichtlich war, was genau sich hinter den Ausgaben für "Monitoring" oder "Unterstützung Medienarbeit" verbarg.

Parallel machten Geschichten über horrende Hotelrechnungen und ausgiebige Einkaufstouren der Ministerin im Ausland die Runde. Im Landtag wurde die Politikerin aus der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP), der Partei von Regierungschef Adrian Hasler, schließlich gefragt, ob womöglich private Aufwendungen aus der Staatskasse finanziert wurden.

Just während die für das Staatsjubiläum zuständigen Festplaner die Bevölkerung dazu aufriefen, Liebesbriefe an ihr Heimatland zu schreiben, erfuhr Aurelia Frick eine besonders harte Form des politischen Liebesentzugs. Sieben Stunden debattierte der Landtag am 2. Juli auf einer außerordentlichen Sitzung über die Ministerin und ihr Finanzgebaren. Die wehrte sich und kämpfte, gab sich demütig und versicherte wiederholt, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. Am Ende beriefen sie die Parlamentarier trotzdem mit 21 von 23 Stimmen ab.

Auch ihre eigene Partei und Regierungschef Adrian Hasler verweigerten Frick letztlich die Gefolgschaft, was sicher auch damit zu tun hatte, dass sie sich wenige Tage zuvor und auf dem Höhepunkt der Anfeindungen selbst öffentlich attestierte, das Zeug zu haben, um selbst Regierungschefin zu werden.

Der Regierungschef hofft auf die beruhigende Kraft der politischen Sommerpause

Unmittelbar nach der Landtagsentscheidung bestätigte auch das Staatsoberhaupt Erbprinz Alois Philipp Maria von und zu Liechtenstein den Rauswurf von Frick. Bis zur Wahl eines neuen Regierungsmitglieds wird Gesellschafts- und Sozialminister Mauro Pedrazzini die Amtsgeschäfte von Frick übernehmen. Indes wurde mittlerweile auch deren engster Mitarbeiter geschasst, der Akten vernichtet hatte. Womit es endgültig vorbei war mit der Harmonie im Liechtensteiner Jubiläumsjahr 2019. Eine Gruppe von Bürgern schloss sich zu besagter Initiative zusammen, die vorzeitige Neuwahlen fordert.

Nichts allerdings fürchten die Liechtensteiner Politiker mehr. Über Jahrzehnte ein Zwei-, dann ein Dreiparteienstaat, sitzen im 25-köpfigen Vaduzer Landtag inzwischen sechs Gruppierungen. Regiert wird das Land von einer großen Koalition der konservativen FBP und der etwas liberaleren Vaterländischen Union (VU). Neuwahlen anderthalb Jahre vor dem regulären Wahltermin kämen mutmaßlich den kleinen Parteien und Populisten am rechten Rand zugute.

Weshalb nicht nur der Regierungschef auf die beruhigende Kraft der politischen Sommerpause hofft. Und zur Not kann auch noch das Fürstenhaus seinen Einfluss geltend machen - beim großen Jubiläums-Staatsakt beim Schloss Vaduz samt Aperitif im Rosengarten und anschließendem Volksfest.

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Quelle:
SZ vom 15.07.2019
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