Süddeutsche Zeitung

Libyen:Besuch bei Verbündeten

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In dem seit Jahren verfahrenen, gewalttätigen Konflikt um die Macht in dem nordafrikanischen Land deutet sich nun eine Wende an.

Von Paul-Anton Krüger, München

Wenn die Reisetätigkeit libyscher Spitzenpolitiker ein Indikator ist, stehen in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland wichtige Entscheidungen bevor. Der Premier der international anerkannten Einheitsregierung in Tripolis, Fayez al-Serraj, machte am Donnerstag dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Ankara die Aufwartung. Dessen militärische Unterstützung hat die loyal zu Serraj stehenden Milizen im Westen Libyens in die Offensive gebracht und ermöglichte ihnen bedeutende Erfolge. Am Mittwoch nahmen sie den zerstörten, aber strategisch wichtigen internationalen Flughafen im Süden von Tripolis ein und festigten damit ihre Kontrolle über den Großraum der Hauptstadt. Serrajs Vize, Ahmed Maitiq, wurde tags zuvor in Moskau von Außenminister Sergej Lawrow empfangen.

Ägypten und die VAE konnten General Haftar nicht den erhofften Sieg verschaffen

Russland verlangt von Tripolis, zwei dort gefangen gehaltene Staatsbürger freizulassen - offenbar Söldner des russischen Militärunternehmens Gruppe Wagner. Moskau unterstützt den abtrünnigen General Khalifa Haftar, der den Osten Libyens kontrolliert und versucht hatte, mit einer Offensive Tripolis einzunehmen und sich als Militärdiktator für das gesamte Land zu installieren. Russland hat 14 Kampfjets der Typen MiG-29 und Su-24 über Iran und Syrien nach Libyen verlegt und offenbar in der Küstenstadt Sirte einen großen Militärstützpunkt übernommen. Offiziell hat sich Russland aber nie auf eine der Seiten geschlagen.

Lawrow zeigte sich zu engerer Zusammenarbeit mit Tripolis bereit, sofern die beiden dort festgehaltenen Russen freikommen. Er forderte ein Ende der Kämpfe und neue Verhandlungen der libyschen Kriegsparteien - diese wieder in Gang zu bringen, versuchen derzeit die UN.

Gescheitert war das bislang vor allem an Haftar, der am Mittwoch nach Kairo reiste. Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry telefonierte zu Libyen auch mit Bundesaußenminister Heiko Maas. Die Bundesregierung hatte im Januar in Berlin eine LibyenKonferenz ausgerichtet mit dem Ziel, das UN-Waffenembargo durchzusetzen und die ausländischen Mächte in Libyen dazu zu bewegen, sich aus dem Konflikt zurückzuziehen. Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate sind Haftars wichtigste Verbündete; Abu Dhabi bezahlt dem Vernehmen nach auch die Wagner-Söldner.

Allerdings sehen sich die beiden Staaten damit konfrontiert, dass ihre Waffenlieferungen Haftar nicht den erhofften Sieg verschaffen konnten und sich inzwischen Russland und die Türkei als die wichtigsten Mächte in Libyen etabliert haben. Während Haftar bislang alle Vermittlungsversuche auflaufen ließ, könnten Abu Dhabi und Kairo nun geneigter sein, ihn zu Zugeständnissen zu drängen, um ihren eigenen Einfluss in Libyen nicht zu verlieren.

Zurückliegende Waffenruhen, auch von Moskau und Ankara vermittelte, sind allerdings immer wieder zusammengebrochen. Unklar ist, ob Russland und die Türkei sich informell verständigt haben, den Konflikt ähnlich wie zeitweise in der syrischen Provinz Idlib einzufrieren und Einflusszonen abzustecken, oder ob sie ernsthaft versuchen, den Konflikt beizulegen, was ihren Interessen in Libyen zuwiderlaufen könnte. Ebenfalls als denkbar gilt, dass lediglich eine Neuordnung der Kräfte auf Haftars Seite im Gange ist und eine scharfe Eskalation bevorsteht, um die Gewinne der Regierung rückgängig zu machen. Die russischen Kampfjets jedenfalls sind bislang noch keine Luftangriffe geflogen.

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SZ vom 05.06.2020
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