Süddeutsche Zeitung

Agrarpolitik:Gräben von gestern

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Eine "Zukunftskommission" sucht Wege für eine künftige Landwirtschaft. Wie das gehen kann, machen nun die beiden jüngsten Mitglieder vor.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Dieser Dienstag wird spannend, dann wird das Ergebnis monatelanger Arbeit öffentlich. "Bisher haben wir ja meistens im kleinen Kreis diskutiert", sagt Myriam Rapior. "Ich bin sehr gespannt, wie andere Gruppen darauf reagieren." Was werden andere Umweltschützer, andere junge Landwirte, was werden die Fridays for Future zu den fünf Seiten sagen? Zu jenen fünf Seiten, die sie und Kathrin Muus erarbeitet haben?

Beide sind Mitglieder der "Zukunftskommission Landwirtschaft". Die Kanzlerin selbst hatte diese Kommission im Winter 2019 angeregt, seinerzeit kochten die Emotionen hoch: Landwirte beklagten Umweltstandards, die ihre Existenz bedrohten. Umweltschützer demonstrierten gegen eine zunehmend intensive Landwirtschaft, die Insekten und Vögel bedrohe. Traktoren gegen Transparente, das war die Ausgangslage. Umweltschützer gegen Landwirte.

Muus und Rapior sind da ausgestiegen. Muus, 26, ist Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend, gewissermaßen die Interessenvertretung des bäuerlichen Nachwuchses. Rapior, 24, sitzt im Bundesvorstand der BUND Jugend, dem jungen Zweig des Umweltverbands BUND. Die beiden sind die jüngsten Mitglieder der Zukunftskommission. "Uns war klar, dass wir mit dieser Zukunft am längsten werden leben müssen", sagt Muus. Also suchten sie ihren eigenen Konsens.

Die Arbeit der Kommission ist ein mühsames Geschäft. Ihre 32 Mitglieder vertreten die Land- und Ernährungswirtschaft, Umweltverbände, Wissenschaft, Verbraucherinteressen. Bis Ende Juni wollen sie ein gemeinsames Papier vorlegen, das einen Pfad in eine zukunftsfähige Landwirtschaft weist - die Artenvielfalt und Umwelt schützt, ohne den Bäuerinnen und Bauern die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Keine leichte Aufgabe, wie sich zuletzt am Streit über die nationale Umsetzung der EU-Agrarpolitik zeigte. In der Folge verließ Greenpeace-Chef Martin Kaiser unter Protest die Kommission.

Förderung für verantwortungsvolle Höfe

Auch bei Muus und Rapior lief die Sache nicht ohne Kontroversen. Sie formulierten, jede für sich, jeweils eigene Zukunftsentwürfe für die Landwirtschaft, und stimmten sie in ihren Verbänden ab. Dann legten sie beide Papiere nebeneinander. "Und die waren gar nicht so weit auseinander", sagt Rapior. Da aber, wo sie auseinanderlagen, stritten die beiden, manchmal auch ohne Konsens - etwa was die Senkung der Tierbestände oder den Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel angeht.

Herausgekommen sind nun diese fünf Seiten, sie zeichnen das Bild einer Landwirtschaft, in der Höfe "gesellschaftliche und ökologische Verantwortung" übernehmen, dafür aber auch die Wertschätzung der Gesellschaft erfahren. Landwirte können unternehmerisch handeln und von ihrer Arbeit gut leben. Agrarsubventionen sollen "ausschließlich für die Erbringung gesellschaftlicher Leistungen" fließen, für Ökosysteme und Kulturlandschaft. "Das Papier erzeugt eine Dynamik für alle Mitglieder", sagt Peter Strohschneider, der Kopf der Kommission. "Dahinter werden sie kaum zurückfallen können." Was Karlsruhe in der Klimapolitik verlangt habe, werde hier schon vorgemacht.

Viel gelernt hätten sie beide, sagen Muus und Rapior. "Wie ähnlich man eigentlich denkt", sagt Muus, "das merkt man erst, wenn man ins Gespräch kommt." Und darin liege auch die Chance der Kommission. "Ich habe gelernt, dass gesellschaftlicher Wandel nur gemeinsam geht", sagt auch Rapior. "Einfach nur die eigenen Positionen durchdrücken, das funktioniert nicht."

Erste Entwürfe für den Abschlussbericht der Kommission gibt es schon. Das Papier der beiden steht darin in voller Länge - ganz am Anfang.

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