Süddeutsche Zeitung

SPD:Bühnenabend für Kevin

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Von Susanne Höll, Saarbrücken

Das kleine Theater im Viertel, eine freie Bühne in Saarbrücken, ist an diesem Freitagabend proppenvoll. 60, vielleicht 70 Leute drängen sich in dem engen Zuschauerraum, längst nicht alle haben einen Platz, viele stehen entlang der Wände. Dabei wird an diesen Abend weder ein avantgardistisches Theaterstück gegeben noch eine Aufführung von Musik der Elfen und Trolle aus dem hohen Norden. Letzteres wird erst in einer Woche dargeboten.

Nein, Kevin Kühnert ist zu Gast, der Vorsitzende der Jusos. Er hat mit mehr oder weniger wolkigen Aussagen zur Zähmung des Kapitalismus durch Vergesellschaftung von Automobilkonzernen und Hausbesitz seiner Partei und sich selbst zuletzt ebenso viel Ärger wie Aufmerksamkeit beschert hat.

Die allermeisten Besucher sind im Juso-Alter, einige Menschen reiferer Natur, die Betagteste ist eine muntere Dame von 87 Jahren. Gut möglich, dass der eine oder die andere ohne die öffentliche Debatte über Kühnerts jüngste Äußerungen den Abend anderswo verbracht hätte. Das Fernsehteam und manche der anwesenden Journalisten wären mit Sicherheit anderswo gewesen.

Aber Kühnert hat in diesen innenpolitisch eher stillen Nachostertagen mit seinen Überlegungen neue Prominenz errungen. Vielleicht legt er nach, lässt die SPD noch einmal erzittern? Nein, das tut er nicht. Und das Publikum interessiert sich auch nicht für die Enteignung großer Unternehmen oder Besitzer von Mietshäusern, jedenfalls nicht an diesem Abend. Man spricht über Umweltschutz, das Klima, das politische Interesse der Jugend und die Zukunft von Europa. Sehr konzentriert, ernsthaft und ohne nennenswerten Klamauk.

Man ist sich einig

Kühnert trägt das Juso-Outfit für den Europawahlkampf der SPD, einen blauen Kapuzenpullover mit bunten Sternen. Er ist, man kann es nicht anders sagen, der Star des Abends. Mit ihm auf dem Podium sitzen, auf Einladung der saarländischen Jusos, eine junge Frau von der Schülerbewegung "Fridays for Future", ein junger Mann von der Jungen Europäischen Föderation, die nur allzu gern eine Art Vereinigte Staaten von Europa hätte und der stellvertretende saarländische SPD-Vorsitzende Pascal Arweiler, vor nicht allzu langer Zeit selbst Juso-Chef an der Saar.

Die Runde ist sich ziemlich einig, dass dieser Tage Antworten auf etliche drängende Fragen nötig sind. Etwa die, wie man die Leute für Europa begeistern kann und junge Leute für die Politik. Susanne Speicher von den Freitagsdemos der Schüler findet, das letzteres mit einer guten Sache machbar ist. Die Jusos in Saarbrücken sind spürbar begeistert, mit ihr und ihren Mitstreitern im Gespräch zu sein. Generelles Wahlalter mit 16? Klar, natürlich.

Kühnert nimmt ab und zu einen Schluck aus einer Flasche Bier. Für ihn ist dieser Abend mitsamt viel Applaus wahrscheinlich angenehmer als die jüngsten Kontakte mit der SPD-Prominenz, die ihn mehr oder minder unverblümt wissen ließ, was sie von seinen Einlassungen hält. Bestenfalls wenig, eher nichts. Hier bekommt er Zuspruch, direkt oder indirekt. So wie von einem Saar-Juso, der in der Saal-Diskussion kundtut, man müsse sich in der Politik auch mutig äußern. Und dann die unvermeidliche Kritik ertragen. Beifall im Saal. Ein Bühnenabend für Kevin, wenn man so will.

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