Süddeutsche Zeitung

Generationenwechsel in Kuba:In Castros Namen

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Kubas Kommunistische Partei könnte einen neuen Chef bekommen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten würde damit kein Castro mehr die Geschicke des Landes steuern. Doch wird sich dadurch etwas ändern?

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Wenn dieses Wochenende in Kuba der 8. Kongress der Kommunistischen Partei beginnt, endet höchstwahrscheinlich gleichzeitig eine Ära. Raúl Castro, Bruder von Revolutionsführer Fidel Castro und bis 2018 Präsident der Insel, könnte sein Amt als Parteichef niederlegen. Zum ersten Mal seit etwa sechs Jahrzehnten würde damit kein Castro mehr die Geschicke des Landes steuern.

Der Wechsel käme in einem Moment, der kaum kritischer sein könnte: Kuba steckt in einer schweren Krise, die Corona-Pandemie hat auch die Insel schwer getroffen. Die Infektions- und Todeszahlen sind dabei noch vergleichsweise gering. Kuba hat ein gut ausgebautes Gesundheitssystem, und gleich zwei selbst entwickelte Impfstoffe stehen kurz vor der Zulassung.

Allerdings treffen die ökonomischen Folgen der Pandemie die Insel hart. Kubas Wirtschaft war schon vor Corona schwer angeschlagen, einerseits brach die Unterstützung von Bruderstaaten wie Venezuela weg, andererseits verhängten die USA immer neue Sanktionen. Mit der Pandemie brach nun auch noch der Tourismus ein, eine der wichtigsten Geldquellen des Landes.

Selbst Grundnahrungsmittel sind heute knapp, es kommt zunehmend zu Protesten, befeuert durch das Internet, das mittlerweile auch in Kuba fast flächendeckend verbreitet ist.

Seit 2015 verschärfte sich die Situation wieder

Die kommunistische Führung Kubas muss auf ihrem Parteitag nun Antworten sowohl auf die Not der Menschen als auch auf den wachsenden Unmut in der Bevölkerung finden. Und dazu steht zu allem Überfluss auch noch der Wechsel in der Parteiführung an.

Raúl Castro hatte diesen schon beim letzten Kongress 2016 angekündigt. Damals sagte er, dieser sei der letzte, der von der "historischen Generation" geführt werden würde, jenen Revolutionären also, die 1959 den damaligen kubanischen Diktator Fulgencio Batista stürzten, um einen sozialistischen Staat zu errichten.

Die beiden Brüder Castro lenkten dabei in den folgenden Jahrzehnten sowohl die Geschicke des Landes als auch die der später gegründeten Kommunistischen Partei entschieden mit. Mehr als 30 Jahre war Fidel Castro der Präsident Kubas. Als er krank wurde, übernahm 2006 Raúl Castro das Amt, erst provisorisch, 2008 dann offiziell vom Parlament ernannt.

Nach Jahren relativer Stabilität, auch dank der Unterstützung linker Regierungen in der Region und einer Annäherung an die USA unter Präsident Barack Obama, begann sich die Situation in Kuba von Mitte des vergangenen Jahrzehnts an wieder zu verschärfen. 2016 starb dazu auch noch Fidel Castro.

Díaz-Canel führt sein Amt im Sinne seiner Vorgänger

Kubas Parteiführung versuchte, auf die Krise mit zaghaften Wechseln zu reagieren. Die Wirtschaft öffnete sich für Privatpersonen, und 2018 übergab Raúl Castro das Präsidentenamt an seinen Stellvertreter, den knapp 30 Jahre jüngeren Miguel Díaz-Canel. Der wichtigste Posten im Staat aber, der also des Parteichefs, blieb bei dem heute 89-jährigen Raúl Castro. Nun aber könnte auch dieses Amt auf Díaz-Canel übergehen.

Ob sich dadurch allerdings radikale Änderungen in der Politik der kubanischen Führung ergeben, ist fraglich. Zwar wurde zu Jahresbeginn das bisherige System aus zwei Währungen abgeschafft und die Liste der im Privatsektor erlaubten Berufe drastisch erweitert. Auf der anderen Seite hat Díaz-Canel sein Präsidentenamt bisher aber weitestgehend im Sinne des Kurses seiner Vorgänger weitergeführt. Dazu hat er in den vergangenen Wochen und Monaten auch immer wieder das Motto "Wir sind Kontinuität" verbreiten lassen und öffentlich betont, den Ideen von Raúl und Fidel Castro verpflichtet zu sein.

Anders als den beiden Brüdern fehlt Díaz-Canel aber in den Augen zumindest vieler älterer Kubaner eine wichtige Eigenschaft: Während Raúl und Fidel Castro 1959 nach erfolgreicher Revolution siegreich in Havanna einmarschierten, war Díaz-Canel zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geboren.

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