Süddeutsche Zeitung

Krieg in Syrien:Das brutale Versagen der Vereinten Nationen

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Während Menschen von Bomben zerrissen werden, blockiert die Vetomacht Russland den UN-Sicherheitsrat. Doch die Weltgemeinschaft ist nicht so ohnmächtig, wie sie tut.

Kommentar von Stefan Ulrich

Im Syrienkrieg überblicken längst nur noch Experten die Frontverläufe zwischen Staaten, Parteien und Fraktionen. Jedem Laien aber ist klar, was auf diesem Schlachtfeld alles unter Beschuss steht: unzählige Menschen, die Zukunft des Landes und der Region - sowie der Weltfrieden und die internationale Sicherheit. Doch die Welt scheint dazu verdammt zu sein, der Katastrophe - ohnmächtig und tatenlos - zuzusehen.

Dabei wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Vereinten Nationen gerade dafür geschaffen, "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren", wie es in der Präambel der UN-Charta heißt. Diese Charta weist dem Sicherheitsrat die Pflicht und Schuldigkeit zu, für Frieden und Sicherheit zu sorgen. Doch der Rat ist in Syrien, insbesondere durch die Vetomacht Russland, blockiert, während die Menschen am Giftgas ersticken, in ihren Wohnhäusern von Bomben zerrissen oder zu Millionen in die Flucht getrieben werden.

Die Weltgemeinschaft könnte erheblichen politischen Druck aufbauen

So ohnmächtig, wie sie sich gibt, müsste die Weltgemeinschaft allerdings nicht sein. Wenn der Sicherheitsrat derart brutal versagt wie seit Jahren in Syrien, dann kann die UN-Generalversammlung, der fast alle Staaten der Erde angehören, eine Sondersitzung einberufen. "Uniting for peace", "Vereint für den Frieden", wird dieses Notstandsgremium genannt, seit es 1950 im Koreakrieg erstmals zusammengekommen ist. Es verkörpert als eine Art Weltparlament den Willen der Menschheit weit besser als der Sicherheitsrat, dem lediglich 15 Staaten angehören.

Vereint für den Frieden könnte die Generalversammlung den Mitgliedstaaten und, mit Zweidrittelmehrheit, auch dem Sicherheitsrat Empfehlungen geben, was zur Beendigung des Syrienkrieges geschehen muss. Dies würde erheblichen politischen Druck aufbauen, besonders auf Veto-Mächte, die den Sicherheitsrat lähmen. Bliebe der Rat jedoch weiterhin untätig, müsste die Generalversammlung selbst eingreifen - im Zivilrecht würde man von einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen. Die Generalversammlung könnte sich zum Beispiel das Recht nehmen, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag damit zu beauftragen, Kriegsverbrecher im Syrienkonflikt zu verfolgen und zu bestrafen. Gewiss: Das würde den Krieg nicht gleich beenden - aber Tätern und Opfern zeigen, dass die Welt keineswegs völlig hilflos ist.

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