Süddeutsche Zeitung

Krieg in Libyen:Rebellen setzen Kopfgeld auf Gaddafi aus

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Gespannte Ruhe in Tripolis: Die Rebellen haben Checkpoints errichtet, in den Tunnel- und Bunkeranlagen leisten die Kämpfer des Despoten Gaddafi Berichten zufolge noch Widerstand. Vier italienische Journalisten sind in der Nähe von Tripolis entführt worden, am Flughafen der Stadt sind offenbar schwere Gefechte ausgebrochen. Die Aufständischen machen indes weiter Jagd auf Gaddafi. Ein Geschäftsmann setzt ein Kopfgeld von mehr als einer Million Euro für die Ergreifung oder Tötung des Diktators aus.

Sonja Zekri

Der Nationale Übergangsrat in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi hat eine Belohnung für die Ergreifung oder Tötung des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi versprochen. Ein Geschäftsmann in Bengasi habe ein Kopfgeld von mehr als einer Million Euro ausgesetzt, so Ratschef Mustafa Abdel Dschalil. Ein Mörder des Diktators müsse nicht mit einer Strafe rechnen. Bisher hatte die Rebellen-Regierung erklärt, Gaddafi solle lebend gefangen und vor Gericht gestellt werden.

Zuvor hatte sich Gaddafi in der ersten Audiobotschaft seit dem Sturm seiner Festung Bab al-Asisija zu Wort gemeldet, in der er die Libyer aufrief, die Hauptstadt von "Teufeln und Verrätern" zu befreien. Der Rückzug aus Bab al-Asisija sei ein "taktischer" Schritt gewesen, er werde kämpfen "bis zum Tod". Während die Rebellen davon sprechen, 95 Prozent der Hauptstadt unter ihrer Kontrolle zu haben, behauptete Gaddafi, er sei in Tripolis unterwegs gewesen, ohne erkannt zu werden: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass Tripolis in Gefahr ist."

Wo sich der Diktator aufhält, ist weiter unklar. Am Mittwoch herrschte in vielen Vierteln der Stadt gespannte Ruhe. Die Rebellen haben Checkpoints errichtet. Nach Angaben der Aufständischen seien in der Nacht zum Donnerstag in der Nähe des Flughafens von Tripolis wieder schwere Gefechte ausgebrochen. Dabei seien unter anderem Grad-Raketen zum Einsatz gekommen. Der US-Sender CNN berichtete, auf dem Flughafen sei eine Maschine getroffen worden und in Flammen aufgegangen.

Auch in anderen Stadtteilen, vor allem rund um die Festung Bab al-Asisija und das Hotel Rixos, in dem zeitweise mehr als 30 Journalisten festgehalten wurden, gab es Gefechte. Die Rebellen hatten am Dienstag den Militärkomplex gestürmt.

In den Tunnel- und Bunkeranlagen leisten Berichten zufolge Kämpfer Gaddafis noch Widerstand. Bei den Gefechten wurden Hunderte Rebellen getötet und viele Zivilisten verletzt. Nahe der Stadt Sawija entführten offenbar Gaddafi-treue Milizen am Mittwoch vier italienische Journalisten, wie das Außenministerium in Rom bestätigte.

Aufbaukonferenz für Libyen in Paris

Unterdessen kündigte der Übergangsrat den Umzug von Bengasi im Osten in die Hauptstadt Tripolis an. "Sehr, sehr bald" schon werde man den Regierungssitz in Tripolis einnehmen, sagte Aref Ali Najed, ein Mitglied des Rates, der BBC: "Es ist ein sehr wichtiges Symbol für die Führung, sich in der Innenstadt von Tripolis zu zeigen." Noch könne er aus Sicherheitsgründen aber weder ein genaues Datum noch den Ablauf nennen.

Auch der libysche Außenminister Abdul Ai al-Obeidi geht davon aus, dass Gaddafi jeden Einfluss im Land verloren hat. Er habe keinen Kontakt mehr zu den Regierungsmitgliedern, sagte er einem britischen Sender, dies weise darauf hin, dass er alle Optionen ausgeschöpft habe.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat unterdessen für den 1. September eine große Libyen-Aufbaukonferenz in Paris angekündigt. Dabei solle es vor allem darum gehen, die eingefrorenen Vermögen der Gaddafi-Familie, die auf ausländischen Konten liegen, für den Wiederaufbau zugänglich zu machen, sagte Sarkozy nach einem Treffen mit Rebellenführer Mahmud Dschibril im Élysée-Palast.

Deutschland möchte dem Land nach dem Sturz Gaddafis beim Aufbau eines Rechtsstaats helfen. Der Übergangsrat kann nach Angaben des Auswärtigen Amts mit einem Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro rechnen. Auch die sieben Milliarden Euro, die als Vermögen Gaddafis in Deutschland eingefroren wurden, sollen schnell zurückgegeben werden.

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SZ vom 25.08.2011
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