Süddeutsche Zeitung

Krieg in Afghanistan:Noch 'ne Strategie

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Obama hat Ärger mit dem Militär: Der neue US-Kommandeur McChrystal will in Afghanistan alles anders machen, warnt vor einer Niederlage - und blamiert den US-Präsidenten.

Stefan Kornelius

In dieser kritischen innenpolitischen Phase seiner Amtszeit steht Barack Obama nun auch Ärger mit dem Militär ins Haus. Der Protest kommt schleichend, aber wer den Machtzuwachs der amerikanischen Generalität in den vergangenen Jahren ignoriert hat, der sollte sich spätestens jetzt auf eine zischende Auseinandersetzung zwischen ziviler Führung und den Uniformträgern auf den höchsten Rängen einstellen.

In Deutschland war die Empörung groß, als der Afghanistan-Befehlshaber Stanley McChrystal den deutschen Kundus-Kommandeur mit Hilfe eines amerikanischen Reporters vorführte. Nun hat sich McChrystal ein lohnenderes Ziel gesetzt: den Präsidenten. Seine vertrauliche Lageeinschätzung zum Afghanistan-Einsatz wurde mit Hilfe der Enthüllungs-Legende Bob Woodward (Washington Post) in die Welt gebracht. Die politische Explosionswucht übertrifft die des Tanklaster-Bombardements.

Der Vorgang hat eine inhaltliche, aber vor allem eine persönlich-politische Dimension. Natürlich steht es dem Kommandeur frei, die Defizite des Einsatzes anzuklagen. Davon gibt es ausreichend viele, und der Zustandsbericht aus Afghanistan ist von erfrischender Klarheit. Mit der Veröffentlichung der Klageschrift baut das amerikanische Militär aber einen Entscheidungsdruck auf, dem der Präsident gar nicht mehr ausweichen kann: Entweder Obama folgt den Forderungen der Generalität, oder er trägt alleine die Verantwortung für jedes Defizit, für jede schlechte Nachricht aus dem Einsatzland.

Selbst aber wenn Obama dem Drehbuch des Kommandeurs aus Kabul gehorcht - er ist blamiert. McChrystal fordert nicht weniger als eine neue Strategie, als ob der Präsident nicht gerade vor sechs Monaten eine neue Strategie erlassen hätte. Zweites Problem: McChrystal stellt die Logik des bisherigen Einsatzes komplett auf den Kopf: Er will entscheiden, wo welche Truppen für Sicherheit zu sorgen haben. Das ist militärisch vielleicht vernünftig, innerhalb der Nato aber nicht durchzusetzen. Obama wird es sein, der den Tanz mit den Verbündeten auszutragen hat. McChrystal macht kein Hehl daraus, dass ihm die Fesseln eines internationalen Einsatzes zu eng sind - er will mehr Truppen und mehr Helfer, sofort und nach seinen Regeln.

Diese Analyse wird offenbar vom Generalstab in Washington geteilt, womit das US-Militär die Lufthoheit in der Debatte um den richtigen Kurs, über die letzte, möglicherweise entscheidende Weichenstellung übernommen hat. Das Weiße Haus behauptet zwar, es handele sich nur um einen Vorschlag unter vielen, der die Entscheidung des Präsidenten beeinflussen werde. Noch aber ist wenig zu sehen von den Alternativen. Vor allem fehlt schmerzlich die richtige Idee über den Umgang mit der schwierigen Regierung Karsai und den Taliban. Der Afghanistan-Einsatz hangelt sich von Strategie zu Strategie, aber es bleibt der Eindruck von plumper Taktik.

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SZ vom 21. 09. 2009/segi
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