Süddeutsche Zeitung

Korruptionsmonitor:Bürger unterstellen Parteien Käuflichkeit

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Die Deutschen halten ihre Parteien für tief verstrickt in Korruption und Lobbyismus. Laut Transparency International glauben viele, dass sich die Wirtschaft Einfluss erkauft.

Viele Deutsche halten ihre Politiker für käuflich und sehen die Korruption in der Bundesrepublik insgesamt auf dem Vormarsch. So glauben sieben von zehn Bürgern, dass die Bestechlichkeit hierzulande schlimmer wird. Dies geht aus dem diesjährigen Korruptionsbarometer der Organisation Transparency International hervor.

"Parteien sollten ihr schlechtes Image als klares Signal zum Handeln werten", erklärte die deutsche TI-Chefin Edda Müller am Donnerstag in Berlin. Für die Studie hatte die internationale Organisation weltweit knapp 92.000 Menschen in mehr als 80 Ländern befragt.

Demnach nimmt die Korruption global gesehen erschreckende Ausmaße an: Jeder Vierte sagte, er habe in den vergangenen zwölf Monaten Schmiergeld gezahlt - meist, um bei Behörden Nachteile abzuwenden oder die Bürokratie in Gang zu setzen. Im mittleren und südlichen Afrika bekannte sich dazu sogar jeder zweite, ebenso wie in Ländern wie Afghanistan oder Kambodscha.

In Deutschland ist Bestechung für Privatleute dagegen fast kein Thema: Nur zwei Prozent gaben an, Beamte oder Entscheidungsträger in den vergangenen zwölf Monaten geschmiert zu haben. Dass trotzdem so viele der Befragten glauben, die Bestechlichkeit im eigenen Lande nehme zu, beruht nach Einschätzung der Antikorruptionsorganisation somit kaum auf eigener Erfahrung.

Vielmehr präge wohl die Berichterstattung über Parteiensponsoring, Fangprämien im Gesundheitswesen, Wirtschafts- und Fußballwettskandale die öffentliche Wahrnehmung, meinte Müller und nannte auch die "Geheimverhandlungen" der Politik mit den Stromkonzernen oder der Pharmaindustrie.

Auf einer Fünf-Punkte-Skala sollten die 1000 Befragten nach eigener Wahrnehmung bewerten, für wie korrupt sie einzelne Institutionen halten. Dabei schnitten die politischen Parteien mit 3,7 am schlechtesten ab. Danach folgten im Index 2010 die Privatwirtschaft mit 3,3, der öffentliche Sektor mit 3,2, das Parlament mit 3,1 und die Medien mit 3,0. Deutlich besser lagen in der Wahrnehmung der Bürger die Justiz mit 2,4 und die Polizei mit 2,3 Punkten.

Um dieses Vertrauen zu erhalten, bedürfe es aber zusätzlicher Anstrengungen, betonte Transparency. Nötig seien Schwerpunktstaatsanwaltschaften in allen Bundesländern sowie mehr Ermittler. Bisher gibt es solche "Sondereinheiten" nur in neun von 16 Bundesländern.

Weltweit stehen hinter dem Korruptionsschwerpunkt südliches Afrika auch der mittlere Osten und Nordafrika weit oben auf der Negativskala. Dort sagten 36 Prozent der Befragten, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten jemanden geschmiert. In den ehemaligen Ostblockstaaten waren es 32 Prozent, in Lateinamerika 23 Prozent, auf dem Westbalkan und der Türkei 19 Prozent. In der EU und Nordamerika bekannten sich in der Umfrage nur fünf Prozent dazu, Schmiergelder gezahlt zu haben.

Unabhängig davon glauben in Europa insgesamt rund drei Viertel der Bürger, dass die Korruption schlimmer werde. In Nordamerika äußern 67 Prozent der Befragten diese Einschätzung. "Die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern wird noch immer von den Auswirkungen der Finanzmarktkrise geprägt", erklärte die Vorsitzende von Transparency International, Huguette Labelle. "Weltweit müssen Institutionen ihre Anstrengungen verstärken, um das Vertrauen in ihr Wirken aufrecht zu erhalten."

Dazu bekannte sich die EU-Kommissarin für Innenpolitik, Cecilia Malmström. In der Welt kündigte sie ein Bündel neuer Antikorruptionsmaßnahmen an, da bisherigen nicht reichten. "Es gibt in Europa keine korruptionsfreien Zonen", sagte Malmström.

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