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Korruption in Afghanistan:Kistenweise Bargeld an Bord

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Niemand weiß, woher es kommt oder wer es in Empfang nimmt: Ein UN-Bericht rechnet vor, dass täglich mehr als zehn Millionen Dollar Bargeld von Kabul aus ins Ausland geflogen werden.

Wenn das Wort Korruption in Verbindung mit Afghanistan genannt wird, dann ist das nicht ungewöhnlich. Vielmehr ist es weitbekannte Realität. Laut einem UN-Bericht zahlten die Afghanen im vergangenen Jahr beinahe ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts an Bestechungsgeldern. Umgerechnet sind das rund 1,7 Milliarden Euro.

Dennoch offenbaren die Zahlen, die das amerikanische Wall Street Journal am Montag veröffentlichte, eine bisher ungeahnte Größenordnung von Geldern, die nahezu ungehindert ins Ausland fließen. Zwischen 2007 und Februar 2010 sollen nach Informationen der US-Zeitung mehr als drei Millarden Dollar (etwa 2,4 Milliarden Euro) außer Landes gebracht worden sein. Woher das Geld kommt, ist fraglich, ebenso, wer es im Ausland empfängt.

Nach Angaben eines US-Ermittlers soll das Geld zu einem Teil aus westlichen Hilfszahlungen stammen. "Es ist nicht so, dass hier das Geld auf den Bäumen wächst. Es sieht so aus, als ob es sich zum Teil um unsere gestohlenen Steuergelder handelt - und Geld aus dem Drogenhandel natürlich."

In Koffern und Kisten verpackt werden die Geldscheine täglich aus dem Land geschafft. "Sie haben Kisten im hinteren Stauraum von Flugzeugen. Sie haben Kerle, die im wahrsten Sinne des Wortes Kisten mit Bargeld an Bord der Flugzeuge bringen", wird ein ranghoher US-Beamter zitiert.

Die Abwicklung wird offenbar über sogenannte Hawala-Unternehmen organisiert. Sie bieten ein Überweisungssystem, das schnell und günstig ist und auf Vertrauen basiert. Der arabische Wortstamm "hwl" meint "Wechsel". Diese Art von Geldtransfer hat sich im Orient über Jahrhunderte etabliert und ist legal, solange die Beträge deklariert werden. Jedoch wird man am Ende kaum feststellen können, wer das Geld tatsächlich auf Reisen geschickt hat, da als Absender meist das Hawala-Unternehmen angegeben ist.

Die Empfänger sitzen nach Informationen des Wall Street Journal häufig im wohlhabenden Dubai. Hier residieren viele reiche Afghanen. Strenge Gesetze zum Bankgenheimnis in den Emiraten verhüllen die Geldflüsse zusätzlich.

Viele bekannte Afghanen sollen in die dubiosen Vorgänge involviert sein - unter anderem auch der Bruder des afghanischen Präsidenten, Mahmud Karsai, und Vizepräsident Mohammad Fahim.

Ein Bericht der Washington Post bestärkt diese Vermutungen. So sollen hohe afghanische Regierungsbeamte Korruptionsermittlungen gegen einflussreiche Landsleute verhindert haben. Kein ungewöhnliches Verhalten, glaubt man den zitierten US-Regierungsbeamten. So sei es unter Angehörigen der Eliten üblich, sich gegenseitig zu decken.

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sueddeutsche.de/AFP/hana
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