Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker:Dichthalten trotz Leaks
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Luxemburg wurde unter Jean-Claude Juncker zum Steuervermeidungs-Paradies ausgebaut. Trotzdem schweigt der neue EU-Kommissionschef beharrlich zur Steueraffäre. Sogar seine Parteifreunde sind verwundert.
Von Javier Cáceres und Cerstin Gammelin, Brüssel
Auch am Dienstag blieb offen, ob und wann Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem Europarlament zu dem Vorwurf Stellung nehmen wird, in seiner Regierungszeit das Großherzogtum Luxemburg zu einem Steuervermeidungs-Paradies ausgebaut und reich gemacht zu haben. "Herr Juncker wird diesen Moment selbst bestimmen", sagte sein Sprecher Margaritis Schinas in Brüssel. Die nächste Gelegenheit böte sich an diesem Mittwoch, wenn das Parlament eine zweitägige Sitzung beginnt.
Der Vorwurf wird immer lauter, Juncker schädige mit seinem Schweigen die eigene Glaubwürdigkeit. Trotzdem verständigten sich die großen Fraktionen von Christdemokraten und Sozialdemokraten am Dienstag darauf, Juncker nicht vor das Plenum zu laden. Das hatten Grüne und Linke gefordert. Wie die SZ erfuhr, wollten die EU-Spitzen am Dienstagabend Juncker "dringend" bitten, "in die Vorwärtsverteidigung zu gehen" und persönlich vor den Volksvertretern zum "Kampf gegen Steuervermeidung" Stellung zu beziehen. So heißt der Punkt, der eilig für Mittwoch auf die Tagesordnung gehoben wurde. Junckers Plan war eigentlich, Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager vorzuschicken.
Sie musste schon am Dienstagabend im Wirtschaftsausschuss Fragen zu Luxemburgs Steuerregeln beantworten. Sie verwies auf bereits laufende Ermittlungen, in zwei Fällen untersucht die Kommission ja, ob illegale staatliche Beihilfen vorliegen. Vestager beteuerte, Junckers Rolle als früherer Regierungschef berühre sie nicht: "Ich habe freie Hand."
Derweil bereitete sich Juncker auf seine erste Reise ins nichteuropäische Ausland vor, die für ihn in mehrfacher Hinsicht unbequem werden könnte. Juncker nimmt in Brisbane am Treffen der 20 weltweit wichtigsten Volkswirtschaften (G20) teil. Dort sollen schärfere Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuervermeidung besprochen werden. Juncker eilt in Australien ein spezieller Ruf voraus - weniger der eines Kommissionspräsidenten, als der eines Regierungschefs einer Steueroase.
Heikler Schauplatz Australien
Australiens oberster Steuerbeamter, Chris Jordan, forderte nach den Veröffentlichungen geheimer Dokumente über die Praxis von Luxemburg, die Steuervermeidungsmodelle des Großherzogtums weltweit zu untersuchen. Australiens Fiskus sind durch die Luxemburger Tricks offensichtlich Hunderte Millionen Euro Steuergelder entgangen.
Der Schauplatz Australien ist aber für Juncker auch deshalb heikel, weil selbst unter seinen christdemokratischen Parteifreunden in vertraulichen Runden Unverständnis darüber herrscht, dass Juncker seit Ausbruch der Affäre abgetaucht ist: "Da kann er doch jetzt nicht Down-Under auftauchen", sagte ein EU-Parlamentarier. Seine Furcht: Bei den Bürgern käme es nicht gut an, wenn Juncker im 16 000 Kilometer entfernten Brisbane Erklärungen abgibt, die er in Europa verweigert.