Süddeutsche Zeitung

Koalitionsverhandlungen in Berlin:Wowereit entscheidet sich für die Grünen

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Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit erteilt der CDU eine Absage - und will zügig Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufnehmen. Man habe sich in den Sondierungsgesprächen in entscheidenden Punkten geeinigt. Doch der Kompromiss beim Thema Stadtautobahn könnte noch für Ärger sorgen.

Constanze von Bullion

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) strebt ein Bündnis mit den Grünen an und will zügig Koalitionsverhandlungen aufnehmen. "Die SPD hat sich entschieden für ein rot-grünes Bündnis", sagte er am Montagabend nach einer Sitzung des Landesvorstands. "Wir wollen das Thema soziale Gerechtigkeit mit wirtschaftlichem Erfolg und ökologischen Themen verbinden." Besonders wichtig sei für Wowereit ein klares Bekenntnis der Koalition zum "Expansionskurs des Flughafens". Ein Kompromiss über den Ausbau der Berliner Stadtautobahn A 100 sei gefunden.

SPD-Chef Michael Müller sagte, der Bau der umstrittenen Stadtautobahn werde "grundsätzlich nicht aufgegeben". SPD und Grüne wollten jedoch versuchen, die Mittel, die der Bund dafür bewilligt hat, zum Ausbau bereits bestehender Autobahnen auszugeben. Scheitere dies, gehe man vom Bau der Autobahn aus. Auch die Grünen stimmten am Montag dem Kompromiss zu. Am Freitag soll ein grüner Landesparteitag darüber befinden. Dort wird mit kontroversen Debatten, letztlich aber der Zustimmung der Basis gerechnet.

Der Ausbau der Stadtautobahn, die von Neukölln in die östliche Innenstadt führen soll, war der Knackpunkt der rot-grünen Verhandlungen. Die Grünen lehnen das Autobahnstück ab, weil es durch ein Wohngebiet führt. Auch der linke Flügel der Berliner SPD war lange dagegen. Wowereit aber hat sich in seiner Partei durchgesetzt. Das Bundesverkehrsministerium, so argumentierte er, übernehme mit 420 Millionen Euro den Großteil der Kosten. Für den Bau einer Bundesstraße dagegen müsste das Land Berlin aufkommen.

Ob und wann die Autobahn verlängert wird, ist jedoch auch im Bund ungewiss. Die Mittel für den Bau sind grundsätzlich bewilligt, allerdings nicht in den Bundeshaushalt eingestellt, weil gegen das Planfeststellungsverfahren der A 100 geklagt wird. Erst wenn Rechtssicherheit besteht, kann Berlin die Mittel beim Bund einfordern - bis 2015.

In diese zeitliche Lücke zielt Wowereits Kompromiss mit den Grünen. Die Parteien haben sich auf eine Formel geeinigt, wonach das Bauprojekt "nicht grundsätzlich aufgegeben" wird. Allerdings wollen SPD und Grüne erst versuchen, Bundesmittel, die für die A 100 zugesagt sind, für Lärmschutz und den Ausbau bestehender Autobahnen wie die A 113 im Norden Berlins zu verwenden. "Die Koalition setzt sich aktiv und ernsthaft dafür ein, dass die Umwidmung der Bundesmittel möglich wird", heißt es in der Vereinbarung. Der Bau "erfolgt nicht", so die Formulierung, wenn die Umwidmung gelingt. Letzteres ist aber unwahrscheinlich.

Im Verkehrsministerium hieß es am Montag, die 420 Millionen Euro seien für den Bau der A 100 bewilligt worden - so wie sie im Planfeststellungsverfahren definiert sei, nicht für abweichende Projekte. Was passiert, wenn der Bund ablehnt, lassen SPD und Grüne offen. In ihrer Vereinbarung heißt es nur, dass für den Bundeswegeplan 2015 "ein zusätzliches Projekt angemeldet" werde.

In der SPD erntete der Kompromiss am Freitag scharfe Kritik. Heinz Buschkowsky (SPD), der Bezirksbürgermeister von Neukölln, der für ein Bündnis mit der CDU plädiert hatte, sagte, Klaus Wowereit sei eingeknickt und die SPD "erpressbar" geworden.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2011
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