Süddeutsche Zeitung

Erderwärmung:EU streitet um die Lasten des Klimaschutzes

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Der EU-Gipfel diskutiert darüber, wie die Staaten die ehrgeizigen Brüsseler Klimaziele erreichen sollen - und wen das am härtesten trifft.

Von Björn Finke, Brüssel

Es hätte das wichtigste Thema des EU-Gipfels sein sollen - wurde aber dann von der erzwungenen Flugzeuglandung in Belarus überschattet: Am Dienstag, dem zweiten Tag ihres Treffens, diskutierten die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel drei Stunden lang über Klimapolitik. Schon im Dezember hatten sich die Spitzenpolitiker auf das Ziel geeinigt, bis 2030 den Ausstoß an Treibhausgasen um 55 Prozent zu senken im Vergleich zu 1990. Im Juli wird die EU-Kommission ein umfangreiches Gesetzespaket vorlegen, das Europas Wirtschaft auf diesen mühsamen Pfad hin zu mehr Klimaschutz zwingen soll. Umstritten ist jedoch, wie die Lasten zwischen Mitgliedstaaten verteilt werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach dem Treffen, die "Orientierungsdiskussion" sei ein "wichtiger Zwischenschritt, weil alle noch einmal ihre nationalen Erwartungen an das Paket der Kommission äußern konnten". Ratspräsident Charles Michel sprach von einer "sehr komplizierten Debatte". Die Staats- und Regierungschefs werden sich dem Thema wieder widmen, nachdem die Kommission das Paket präsentiert hat.

Die EU verfolgt zwei Ansätze, den Ausstoß an klimaschädlichen Gasen zu senken. Erstens existiert ein Emissionshandelssystem, bei dem Industriebetriebe Verschmutzungsrechte kaufen müssen, wenn sie Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen wollen. Diese Zertifikate wird die Kommission verknappen, und sie erwägt, ein ähnliches System für den Autoverkehr und das Heizen einzuführen. Dies würde die Verbraucher belasten - vielleicht zu sehr, wie gerade osteuropäische Regierungen befürchten. Daher weisen die Gipfel-Schlussfolgerungen die Kommission an, ihr Gesetzespaket zusammen mit einer genauen Untersuchung der "wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen" vorzulegen.

Für Ost- und Südeuropäer hat das Konzept Vorteile

In Wirtschaftsbereichen, die bisher nicht vom Emissionshandelssystem erfasst werden, nutzt die EU ein anderes Prinzip: Sie setzt nationale Einsparziele für den Ausstoß an Klimagasen, und diese Ziele werden so auf die Mitgliedstaaten verteilt, dass sich reiche Länder mehr anstrengen müssen als arme. Lastenteilung heißt dieses Konzept. Die Regierungen in Ost- und Südeuropa verteidigen diese für sie vorteilhafte Berechnungsmethode, doch wohlhabendere Staaten wie die Niederlande und Dänemark verlangen Reformen, wenn diese Einsparziele nun drastisch hochgesetzt werden.

Kanzlerin Merkel betonte schon vor Start des Gipfels vorsorglich, dass Deutschland mit der Verschärfung seiner nationalen Ziele "in Vorleistung getreten" sei. Und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte, es könne nicht sein, dass "nur einzelne Staaten einen großen Beitrag leisten müssen und andere wiederum gar keinen".

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