Süddeutsche Zeitung

Kriminalstatistik:"Sehr besorgniserregend"

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In Deutschland ist die Herstellung und Verbreitung von Bildern und Filmen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder stark gestiegen.

"Wir dürfen den Missbrauchstätern im Netz keine rechtsfreien Räume bieten", sagte Johannes-Wilhelm Rörig - es war einer von vielen Appellen des Bundesbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 mit BKA-Präsident Holger Münch in Berlin.

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder nimmt deutlich zu, zeigte die jährliche Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik. Am stärksten war der Anstieg mit 53 Prozent bei der sogenannten Kinderpornografie, also der Herstellung und Verbreitung von Bildern und Filmen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder. 2020 wurde laut Kriminalstatistik in 18 761 Fällen ermittelt - nach 12 262 Fällen im Vorjahr. Hinweise auf solche Missbrauchsdarstellungen im Internet erhält das Bundeskriminalamt (BKA) überwiegend von den zuständigen Behörden in den USA. Dieser Flut von Inhalten können Behörden schon gar nicht mehr nachkommen, sagt Rörig. Er betonte, dass Deutschland die Strafverfolgung im Netz verstärken müsse damit das Internet nicht weiterhin ein "Paradies für Pedo-Kriminelle" bleibe. Das Entdeckungsrisiko für Täter und Täterinnen scheine noch nicht groß genug zu sein, sagte Rörig.

Die Zahl angezeigter Missbrauchsfälle ist 2020 gegenüber 2019 ebenfalls gestiegen um rund 1000 auf insgesamt 16 921 Fälle. Damit setzt sich der Trend aus den Vorjahren fort. In der Kriminalstatistik werden nur die angezeigten Fälle erfasst, das Dunkelfeld sei weit größer, erläuterte BKA-Präsident Holger Münch.

Misshandlungen von Kindern nahmen 2020 um zehn Prozent zu

Zu möglichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sagte Münch, man könne keinen direkten Zusammenhang zwischen den gestiegenen Fallzahlen und der Pandemie herstellen. Die meisten Taten geschähen aber im privaten Umfeld. Die Einschränkungen infolge der Pandemie könnten Täter begünstigen und erschwerten es Opfern, sich Hilfe zu holen. Die Zahl der Tötungen von Kindern ist im vergangenen Jahr gegenüber 2019 ebenfalls deutlich gestiegen um 40 auf 152 Fälle. 115 Opfer waren jünger als sechs Jahre. Die Misshandlungen von Kindern, also körperliche und psychische Gewalt ohne sexuelles Motiv, nahmen 2020 laut Statistik um zehn Prozent auf knapp 5000 Fälle zu.

Solange Politik und Gesellschaft in Deutschland nicht gewillt seien, in der analogen und digitalen Welt den Kampf gegen sexualisierte Gewalt im Netz zu führen, warnte Rörig, so lange werde es geschehen, dass Kinder tausendfach sexuell missbraucht und ausgebeutet würden.

Datenschutz darf Kinderschutz nicht im Wege stehen

Des Weiteren müsse der Markt für Kinderpornografie trockengelegt, Internetplattformen beschlagnahmt und Verbindungsdaten zu Missbrauchstätern gesichert werden.

Oft liefen Ermittlungen ins Leere, weil auf entsprechende Daten nicht zugegriffen werden könne. Um das zu verhindern, brauche es eine massive Personalaufstockung bei Behörden und Polizei. Rörig appellierte, in polizeiliche Online-Wachen zu investieren, um die Abschreckung zu erhöhen. Dabei dürfe der Datenschutz dem Kinderschutz nicht im Wege stehen. "Selbst im Jahr 2021 wissen wir noch zu wenig über das Tatgeschehen", meinte der Bundesbeauftragte.

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